Amerikanische Arbeitskleidung:Mehrjungfrau

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Kim Kardashian als tropfnasse Venus auf der "Met Gala", dem Benefizball des New Yorker Metropolitan Museums. Und: Die neuen - alten? - Uniformen der US-Army.

Mehrjungfrau

Dieses Kleid ist auf peinlich perfekte Weise nur das, wonach es aussieht: Klischeetraum der tropfnassen Venus, des Beachgirls aus den Wellen. So einfach das ist, so unverständlich wird es, wenn man zu lange darüber nachdenkt. Damit war dieses Kleid die absolute Erfüllung des Mottos der "Met Gala", des Benefizballs der Modeausstellung des Metropolitan Museum of Art in New York in diesem Jahr: "Camp". Als Susan Sontag den Begriff 1964 umschrieben hat, meinte sie damit "eine Art zu fühlen", ein Nachempfinden der Natur in größter Künstlichkeit, die Nachbildung von Gewöhnlichkeit, Vulgarität durch harte Arbeit und Verfeinerung. Eine ur-amerikanische Kulturtechnik. Prototypisch verwirklicht in der Unwahrscheinlichkeit eines Kleides, das tut, als sei es nur Wasser auf der Haut. Wer könnte so was tragen, wenn nicht Kim Kardashian, Personifizierung der harten Arbeit am extrovertiert falschen Bewusstsein, die sich ein Zerrbild von Weiblichkeit antrainiert hat (hier "angezogen" von Tierry Mugler). Susan Sontag konnte Camp, diese Haltung zwischen Ernst und Ironie, Geschmacklosigkeit und Stil noch als marginal und unpolitisch bezeichnen. Heute herrscht die künstlichste aller Figuren im Weißen Haus, Pop hat den Stil zum Massengeschäft gemacht. Und die Frage heißt mehr denn je: Was ist Camp? Was bedeutet dieses Kleid? Marie schmidt

Geschichtsknitterung

Ein alter Bundeswehrwitz geht so: Der Spieß steht vor der müden Truppe und befiehlt: "Kameraden, heute ist Wechsel der Unterwäsche befohlen. Meier wechselt mit Kruse, Kruse mit Müller, Müller mit Fuchs!" Militarismus, das wollte der Witz sagen, mag außen vielleicht Hui erscheinen, innen bleibt er Pfui. Und blöd.

Doch "außen Hui", schneidig, markig, klar, wollen die Outfits des Militärs seit je sein. Knitterfreier Bügelfaltenschick gilt als Dernier Cri in allen Armeen der Welt, insbesondere in denen von Berufssoldaten. Bei formellen Anlässen, dann, wenn der Angehörige seine Truppe repräsentiert, sollen in seinen Zwirn auch Tradition, Esprit de Corps und Exzellenz verwebt sein, die Uniform soll immer auch etwas von der Aura der Landesfahne atmen. Schließlich wollen sich Nationen und ihre Geschichte in den Metallknöpfen der Uniformröcke gespiegelt sehen. Die US-Armee hat gerade eine neue Service-Uniform vorgestellt, die absichtsvoll an die klassischen "Pinks and Greens" der Eisenhower-Zeit anschließt, an das grüne Jackett mit leicht rosastichigen Hosen. Nach Jahrzehnten voller umstrittener, zermürbender Kriege möchte die US-Army damit an den Glanz des D-Day und die "Greatest Generation", an die Ära ihrer historisch unstrittigen, epochalen und sauberen Siege zurückerinnern. Bernd Graff

© SZ vom 08.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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