Alice Schwarzer als Maischberger:"Wir kommen gleich zu Dr. Sex"

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Die Ego-Show der Alice Schwarzer: In der ARD sollte sie als Ersatz-Moderatorin 75 Minuten lang über die Liebe der Jungen diskutieren lassen. Meistens redete sie.

Hans Hoff

Einen einzigen erinnerungswürdigen Satz sagt Alice Schwarzer in den 75 Minuten, in denen sie Sandra Maischberger vertritt. Als sie erklärt, warum ein noch am Nachmittag als Talkgast angekündigter Rap-Prolet nicht bei ihr auf der Couch sitzt, sendet sie eine klare Botschaft an den umstrittenen Popstar.

"Herr Bushido hat abgesagt. Der hat nicht die Eier gehabt, wie man sagt", raunzt sie, um gleich danach klarzustellen, dass das bei ihr nicht der Fall ist. In aller Ausführlichkeit berichtet sie, wie sie sich noch schnell am Nachmittag einen Porno des als Ersatz eingesprungenen Rappers und Filmproduzenten King Orgasmus One angeschaut hat, und dann liest sie auch noch dessen schweinöse Texte vor, ohne irgendwelche Details auszulassen.

Sie begründet das mit einer gewissen Dokumentationspflicht. Leider wirkt das aber über weite Strecken aber so, als mache es ihr richtig Spaß, mit vollen Händen aus der Gosse zu schöpfen. Es ist eben der Ton, der die Musik macht. Nie hat man in den vergangenen Wochen das Ende von Sandra Maischbergers Babypause heftiger herbeigesehnt als in diesen Momenten.

Prüfung oder Verhör

"Früher, härter, unromantischer - Sex ohne Liebe?" heißt das Thema, zu dem gleich sieben Gäste im Blickfeld von Alice Schwarzer sitzen. Schnell wird deutlich, dass der Begriff Talkshow an diesem Dienstagabend ad absurdum geführt werden soll. Abfrageschau, Prüfung oder Verhör wäre möglicherweise eine passende Charakterisierung dieser Veranstaltung, bei der vor allem eine redet: Frau Schwarzer.

"Erzählen Sie doch mal, was Sie so erleben", fordert sie eine Ärztin auf, und gerne stellt sie Fragen aus der "Sind Sie nicht auch der Meinung, dass..."-Kategorie. Von Neugierde ist da keine Spur. Abgehakt wird, was ihr die Redaktion an Vorinformation auf die Kärtchen geschrieben hat.

Meist redet Frau Schwarzer dabei unter Auslassung diverser Vokale von "Sexlität". Was sie an Buchstaben zu wenig hat, macht sie mit vermeintlicher "Sexlität-Credibility" wieder wett. Sie will zeigen, dass sie weiß, wovon sie redet. Sie sagt bumsen und Fickpuppe, und behauptet dann noch, dass der Ausdruck "jemandem einen blasen" ohne Alternative sei. Das lässt den Zuschauer stutzen, zumal kurz danach eine Ärztin sehr korrekt und komplett treffend von Oralverkehr spricht.

So etwas aber hört die Ersatzmoderatorin nicht, denn sie hat alle Hände voll zu tun, die Vielzahl ihrer Gäste durchzuhecheln. Zwei Mädchen sind als Opfer von sehr früher beziehungsweise gewalttätiger Sexualität geladen. Abgefragt werden jedoch vorwiegend die Details der Taten, während Hintergründe meist im Dunkeln bleiben.

Selbst als sich Frau Schwarzer ausnahmsweise mal vergleichsweise behutsam an das Schicksal einer jungen Frau heranpirschen und nicht gleich mit den unangenehmen Erlebnissen ins Haus fallen will, misslingt es, weil die Redaktion schon lange vorab per Insert ausgeplaudert hat, dass das befragte Mädchen von sechs Männern vergewaltigt wurde.

Aber sie ist eh nur Staffage in dieser Schwarzer-Show, denn nachdem sie schicksalstechnisch ausgesaugt wurde, wird sie abgelegt am Bildschirmrand. Immerhin weiß man nun, dass die Gäste in den umstrittenen Nachmittagstalkshows der Privaten so schlecht gar nicht behandelt wurden.

Verbaldurchfall des bösen Buben

Der böse Bube ist natürlich der als Bushido-Ersatz eingesprungene Rapper King Orgasmus One. Der muss sich einiges anhören, kommt aber bei der Moderatorin vergleichsweise ungeschoren davon. Als sich eine neben ihm sitzende und durchaus fachkundig wirkende Ärztin daran macht, diese unangemessene Schonfrist zu beenden und den Verbaldurchfall des Herren mal zu untersuchen, unterbindet Frau Schwarzer das löbliche Unterfangen rasch und macht klar, dass in dieser Show nur sie das Sagen hat.

Das bekommt auch ein griesgrämig dreinschauender Sexualforscher zu spüren, den sie zwar mit "Wir kommen gleich noch zu Dr. Sex" oberdämlich ankündigt, der aber trotzdem fast eine geschlagene Stunde den Couchkloß geben muss, bevor er Frau Schwarzer rundweg zustimmen darf. "Haben wir es nicht mit einer pornografisierten Kultur zu tun?", fragt sie, und er antwortet devot "Kann man so sagen."

Die Runde war sich zum Schluss einig, dass die Gesellschaft Werte brauche, und dabei war groß vom Religiösen die Rede.

Was man nicht so sagen kann, ist das, was der Moderatorin zur Ankündigung der Maischberger-Rückkehr einfällt. Die habe glücklich entbunden, sei in der kommenden Woche wieder da, weil das ein paar Wochen alte Kind mit Namen Samuel auch einen Vater habe. "Und so kann seine Mutter Sendung machen, ohne dass Samuel vernachlässigt wird und etwa schon King Orgasmus One hört."

Eines ist sicher: Sandra Maischberger kann eine um Lichtjahre bessere Sendung machen.

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