Alben der Woche:In der One-Night-Stand-Ecke

Metronomy feiern eine Dandyparty mit gewohnt weißer Weste. Belle and Sebastian gibt es immer noch und Trettmann gibt sich grenzwertig poppig.

Von den SZ-Popkritikerinnen

(Sandy) Alex G - "House of Sugar" (Domino)

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(Foto: Domino Records)

Unvermittelt mit von monotoner Akustikgitarre grundierten Klagegesängen, wie von einem verstimmten Cyborg - so beginnt das neue Album von Alexander Giannascoli, "House of Sugar" (Domino). Es ist bereits die achte Platte des 26-jährigen Songwriters aus Philadelphia, der unter dem Namen (Sandy) Alex G auftritt. Grunge-Stimmung, Indie-Folk-Einflüsse, Lofi-Homerecording-Sound, dabei aber eine ausgefeilte Konstruktion und Abmischung der Songs - hier ist merkwürdig gleichbedeutend mit bemerkenswert. Ins Extraterrestrische manipulierte und kunstvoll geschichtete Gesangs-Loops treffen auf schmutzige, catchy Gitarrenriffs, dann quaken wieder Synths wie aus einem Vaporwave-Track über einen verstolperten Breakbeat. Und Alex kann lyrischen Minimalismus: Er wiederholt etwa immer wieder die verunsichernden Worte "Someday I'm gonna walk away from you / Not today". Wenn das mal keine Drohung ist.

Metronomy - "Metronomy Forever" (Because Music)

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(Foto: Universal Music)

Viel smoother dagegen die Musik der britischen Indie-Popper von Metronomy, die man im 21. Jahr ihrer Existenz wohl schon Veteranen nennen kann. Funky Basslines paaren sich hier mit genau dosiert pumpenden Drums, aparten Elektronikklängen - und gelegentlicher Schrammelgitarre, wobei letztere dank einer stets artig arty bleibenden Soundästhetik nichts Kontaminierendes an sich haben. Die Weste auf der Dandyparty bleibt weiß. Die Hooklines sind so nett, dass sie einen ebenso schnell einfangen, wie sie einen am Ende jedes Songs wieder vom Haken lassen. 17 Songs sind es auf dem neuen Album "Metronomy Forever" (Because Music). Ziemlich viele. Kurzum, das ist alles ziemlich makellos sexy. Aber eher ein One Night Stand.

Olexesh - "Augen Husky" (385ideal)

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(Foto: 385ideal)

Rappen kann er noch. Aber irgendwas ist anders bei Olexesh. Der 31-Jährige klingt auf "Augen Husky" plötzlich weniger zwielichtig, weniger nach frieren zwischen den Plattenbauten von Darmstadt-Kranichstein. Er klingt nach Sommerurlaub. Nach im schicken Auto durch laue Nächte fahren, ohne Sorgen und deshalb etwas übermütig. Und das ist ein seltsamer Bruch. Olexesh stellte seine russisch-ukrainische Herkunft doch bislang immer so stolz aus. Und jetzt Latino-Flair? Und dieser eine Dancehall-Karibik-Klimbim-Beat, der die Deutschrap-Landschaft gerade wieder sehr gleich klingen lässt. Ein paar der Songs sind dadurch natürlich sehr hitverdächtig - auf Albumlänge wird alles aber etwas einseitig.

Pixies - "Beneath the Eyrie" (Infectious/BMG)

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(Foto: BMG Rights)

Zweifellos echte Veteranen sind die Pixies, auch wenn Kim Deal seit 2013 leider nicht mehr Teil der Band ist. Die Aufnahmen zu ihrem neuen Album haben sie als Podcast dokumentiert, so dass man die Entstehung der Songs verfolgen konnte. Die musikalische Variante der gläsernen Backstube hipper Biobäckereien also. Ob diese Vermarktung Schule macht? Der Opener "In The Arms Of Mrs. Mark Of Cain" schnurrt ziemlich uninspiriert ab, weshalb man zunächst nichts Gutes befürchtet. "Spätwerke" von Bands, die in ihrer besten Zeit stilbildend waren, sind ein heikles Genre. Die Pixies haben einst gezeigt, wie man verschrobenen Außenseiter-Rock mit der funkelndsten Pop-Eingängigkeit verbinden kann, und dabei mit "Hey" einen der größten Songs aller Zeiten mit einer der besten Basslines aller Zeiten geschrieben. Aber es kann Entwarnung gegeben werden: So öde wie der Beginn sind die folgenden elf Lieder nicht. Wenn man mit "Beneath The Eyrie" durch ist, hört man trotzdem lieber gleich noch dreimal "Doolittle" von 1989, damit der Glanz in die Augen zurückkehrt.

Belle and Sebastian - "Days Of The Bangold Summer" (Matador Records)

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(Foto: Indigo)

Belle and Sebastian gibt es auch noch. Eigentlich haben sie sogar erst im vergangenen Jahr ein Album veröffentlicht. Man hatte sie irgendwie trotzdem vergessen. Doch nun kommt "Days Of The Bagnold Summer". Pünktlich zum Herbstbeginn. Es handelt sich um den Soundtrack zur 2020 erscheinenden Verfilmung eines Comics gleichen Namens. Ein Coming-of-Age-Film, in dem es um eine Mutter und ihren Sohn geht, der Thrash Metal vergöttert. Insofern passt die Wahl von Belle and Sebastian für den Soundtrack hervorragend: Herzallerliebstes Gezirpe von der Hochglanzklampfe eröffnet den Reigen, es folgen zwölf zeitlose Belle and Sebastian-Lieder, schunkelnd zwischen Simon & Garfunkel-Geträume und elaboriertem Easy-Listening für Indie-Feen.

Trettmann - "Trettmann" (SoulForce/BMG)

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(Foto: Soul Force)

Trettmann ist der Melancholiker der Deutschrap-Szene. Mit "DIY" und vor allem dem Song "Grauer Beton" hat er 2017 ein Manifest für Schwermütige geschrieben. Sein neues Album "Trettmann" ist nun immer noch im besten Sinne traurig - aus Weltschmerz wurde aber ein bisschen mehr Herzschmerz. Und da lauert nun Gefahr: Die Dancehall-Beats, die man vom einstigen Reggae-Musiker Ronny Trettmann noch kennt, machen das Album dynamischer als den Vorgänger. Außerdem fühlt alles sich leichter an und das tut nicht an jeder Stelle gut. Gerade die Songs mit den Künstlerinnen KeKe und Alli Neumann sind nämlich fast schon poppig - und wo zu viel Pop ist, wird Schwermütigkeit leicht kitschig.

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