Alben der Woche:Genug Mist geredet, du Lappen!

"Body Count" fluchen noch immer episch, Anna Calvi lässt alle männlichen Gitarrenvirtuosen lächerlich wirken. Und Noel Gallagher ist endgültig Produzent für: Dance-Pop.

U.S. Girls - "Heavy Light" (4ad/Beggars Group /Indigo)

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(Foto: 4ad/Beggars Group/Indigo)

Beginnen muss diese Folge der Alben der Woche mit dem neuen Werk "Heavy Light" der U.S. Girls, die eigentlich nur aus der Musikerin, Sängerin und Produzentin Meghan Remy bestehen. Auf "Heavy Light" befindet sich nämlich der bestgelaunte bittersüße Indiediscowackler zur ewigen Finanzkrise, in die sich die Welt bugsiert hat. Er heißt "Four American Dollars", und Remy haucht darin formvollendet rauchig ein paar Zeilen für die Ewigkeit: "Shade tassels, shake your ass / We all do what we gotta do to pass / In this world where they say: ,It's not personal, it's business' / Moving numbers from account to account / Keeping secrets in an offshore fount". Lampenschirmquasten, Offshore-Konten. Diese Erste-Welt-Probleme. Werden wir dereinst noch vermissen.

Anna Calvi - "Hunted" (Domino)

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(Foto: Anna Calvi)

Gemeinsam mit St. Vincent ist der 41-jährigen britischen Songwriterin und Gitarristin Anna Calvi ja schon sehr Erstaunliches geglückt: Sie hat es geschafft, dass der Gitarrenvirtuose im Indiepop inzwischen nur noch lächerlich wirkt, wenn er ein Mann ist. Wie das klingt, kann man sich ganz einfach auf ihrem neuen, vierten Album "Hunted" (Domino) anhören, das wieder voller minimalistischer Breitwandhymnen ist. Monumentale Kammerpopmusik mit so grandiosen Songtiteln wie "Don't Beat The Girl Out Of My Boy", die übrigens - wie Calvis Gitarrenspiel - ihre ganze Wucht eigentlich erst live auf der Bühne entfaltet.

Body Count - "Carnivore" (Century Media/Sony)

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(Foto: N/A)

"Carnivore" (Century Media/Sony) heißt das neue, siebte Album von Body Count, der Rapmetal-Band des mittlerweile auch schon 62-jährigen amerikanischen Gangsta-Rap-Pioniers und Bürgerrechtlers Tracy Lauren Marrow alias Ice-T, der mit dem Song "Cop Killer" berühmt wurde und inzwischen seit 22 Jahren einen Polizisten in der Fernsehserie "Law & Order" spielt. Und was soll man sagen? Ist wieder ordnungsgemäß brachial dahinmusiziert, wie überhaupt so eine verzerrte Thrashmetalgitarrensause in ihrem unironischen Minimalismus doch immer noch erstaunlich alterslos wirkt. Auch zornig gerappt wird nach den Regeln, die Ice-T einst selbst aufgestellt hat, je Zeile bitte nicht weniger als eine, besser drei Verbalinjurien, oder wie es am Anfang von "Thee Critical Beatdown" so schön heißt: "Done talkin' shit to your bitch-ass/ Fuck all this back and forth / pussy ass shit". Irritierend nur, dass das lyrische Ich im Song, in dem etwaigen Kritikern unmissverständlich übelste Versehrungen versprochen werden, plötzlich meint, dass sie an die Haustür klopft, sollte der Kritiker zur vereinbarten Tracht Prügel unerwarteterweise nicht erscheinen. Wäre es an der Stelle aber nicht logischer, die Kritikertür würde mit dem Vorschlaghammer eingeschlagen? Naja, die Altersmilde. Verschont offenbar auch die wildesten Kerle nicht. Ice-T ist wohl einfach schon zu lange Fernsehpolizist.

Noel Gallagher's High Flying Birds - "Blue Moon Rising" (Sour Mash/Indigo)

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(Foto: Sour Mash/Indigo)

Noel Gallagher ist, man kann das mit Blick auf die dritte EP seiner High Flying Birds in nur acht Monaten nun fundiert festhalten, im Hauptberuf inzwischen Produzent für Dance-Pop. Doch, wirklich. Das Intro zum Titelstück von "Blue Moon Rising" (Sour Mash/Indigo) klingt zum Beispiel wie das etwas entwicklungsverzögerte Kind von Deichkinds "Limit" und den Synthies aus "Beat It". Noel Gallagher ist nämlich kein sehr innovativer Dance-Pop-Produzent. Songs schreiben kann er aber schon noch. Deshalb hängt auch dieses Kleinst-Album, wie die beiden zuvor, in einem irgendwie nett anzuhörenden Spannungsfeld aus seinen Songwriter-Fähigkeiten (an guten Tagen immer noch groß bis gewaltig) und seinen Electro-Produktions-Skills (an sehr guten Tagen mehr so mittel). EDM-Newcomer des Jahres wird er damit eher nicht mehr. Aber wirklich schlecht ist das alles auch nicht.

High South - "Peace, Love & Harmony" (High South Music/Cargo Records)

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(Foto: High South Music/Cargo Records)

Bleibt zum Abschluss noch der Preis für das rundgekiffteste Album dieser Woche. Und der geht, ohne jeden Zweifel, an: "Peace, Love & Harmony" von High South. Der Preis für die überraschendste Entwicklung damit unbedingt auch. Bislang machte die Band aus Nashville nämlich mittelgrausigen, mundharmonika-seligen Country-Rock-Schlager. Auf dem neuen, dritten Album hat das alles aber nun plötzlich eine Attitüde, als hätte man die Dialoge eines T-Film von Crosby, Stills and Nash vertonen und dann von Jeff Bridges vortanzen lassen. Man höre stellvertretend etwa "Everybody's Getting High On Something" - und ignoriere anschließend, dass die Produktion der wunderbar breiten Chöre an ein paar Stellen (ebenso wie die Produktion bei den meisten Gitarren) immer noch zwei Nuancen zu glatt geraten ist.

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(Foto: dpa)

Thrashmetalgitarrensause in unironischem Minimalismus: doch immer noch erstaunlich alterslos. Die Band Body Count um Frontmann Ice T (Mitte). Alle Folgen der Alben der Woche gibt es hier.

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