Abenteuerfilm:Post in die Katakomben

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Luther und das Kino - der Film "Storm und der verbotene Brief" nutzt die Wirren der Reformation für ein rasantes Coming-of-age-Abenteuer.

Von Anke Sterneborg

Mit der verbotenen Druckplatte unterm Arm stürmt der zwölfjährige Storm aus der kleinen dunklen Buchdruckerei seines Vaters, hinein in die dunkle, verregnete Nacht von Antwerpen. In ein atemraubendes Abenteuer, in dem es nicht nur darum geht, das Leben des Vaters zu retten, sondern auch die Freiheit der Meinung und des Glaubens - die zur Zeit der Reformation noch schwer umkämpft wird. Gejagt von den Schergen der Inquisition, flitzt Storm durch enge Kopfsteinpflastergassen, über steile Steintreppen, durch gotische Steingewölbe und mächtige Kirchenschiffe - um schließlich von dem Waisenmädchen Marieke gerettet zu werden, in die Tiefen der Kanalisation, in ein stimmungsvoll in Kerzenschein getauchtes Katakomben-Versteck.

Unter der Regie des Holländers Dennis Bots wird "Storm und der verbotene Brief" zu einem historischen Coming-of-Age-Abenteuer, zu einer Art "Harry Potter" der Reformation, mit dem Großinquisitor als finsterem Gegenspieler, der den Druck des Briefes - er stammt von Luther - unbedingt verhindern will. Gestört wird das authentische Flair der Zeit nur durch die Gesichter der Kinderdarsteller, die muten für mittelalterliche Verhältnisse ein wenig zu frisch gebadet und ordentlich frisiert an, während Storms Kleider und Fingernägel angemessen verschmutzt sind.

Antwerpen, die wirtschaftlich florierende und geistig offene Stadt. Mit neugierigen Augen und hellwachem Geist versucht der Junge, sich einen Reim zu machen auf mysteriöse Ereignisse und widersprüchliche Eindrücke. Hier die streng katholische Mutter, die mit einem Ablassbrief die Seele ihrer todkranken Schwester freikaufen möchte, dort der Vater, der von derlei korruptem Handel nichts hält und als Buchdrucker ohnehin besonders empfänglich ist für verbotene Ideen und geheimes Wissen. Hier die heimlichen Versammlungen der Lutheraner, dort die öffentlichen Hinrichtungen, mit denen die katholische Kirche die Ketzer in Schach halten und ihre lukrativen Einnahmequellen sichern will. Was ist ein Inquisitor? Wer ist Martin Luther? Was ist ein Ablass? Druckst du auch verbotene Bücher? Storm ist aufgewühlt durch diese Fragen, erregt durch das geheime Wissen, doch als die Männer des Inquisitors die Tür zur Buchdruckerei seines Vaters eintreten, ergreift er spontan die Druckplatte mit dem Brief aus dem Druckstock, wickelt sie in seine Jacke ein und rennt davon.

Raffiniert haben die Drehbuchautorin Karen van Holst Pellekaan und der Jugendfilm-Regisseur Dennis Bots fiktive Kinder in die historische Situation eingeschleust, vier Jahre nach dem Anschlag der Thesen an der Tür der Schlosskirche zu Wittenberg: Den Inquisitor Van der Hulst gab es damals wirklich, ebenso wie den Priester Jacob Proost, der den Lutherbrief von Wittenberg nach Antwerpen schmuggelt, kurz bevor der Kirchenreformer verhaftet wird. Fürs atmosphärische Setting wurden Originalschauplätze in Belgien, Luxemburg, Holland mit Kinobauten und Greenscreen-Aufnahmen so geschickt kompiliert - durchaus im Geist moderner Computerspiel-Ästhetik -, dass der Film sehr viel teurer aussieht als er ist. Es ist im Luther-Jubiläumsjahr eine kindgerechte Geschichtsstunde, die natürlich eindeutig Partei ergreift - für die Revolution, die neue Zeit, die Freiheit von Glauben, Gesellschaft und Presse.

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Storm: Letters van Vuur , NL 2017 - Regie: Dennis Bots. Buch: Karen van Holst Pellekaan. Kamera: Rolf Dekens. Mit: Yorick van Wageningen. Davy Gomez, Juna de Leeuw, Peter van den Begin, Angelika Schijf. Verleih: Farbfilm 106 Minuten.

© SZ vom 27.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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