Abenteuer:Warum, Papa?

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Torbjørn Ekelund: Mein Sohn und der Berg. Unser Abenteuer in Norwegens Natur. Aus dem Norwegischen von Andreas Brunstermann. Malik Verlag, München 2019. 160 Seiten, 18 Euro. (Foto: N/A)

Der Norweger Torbjørn Ekelund unternimmt eine Expedition in das Skrim-Gebirge - gemeinsam mit seinem siebenjährigen Sohn August. Sie campen an Seen, angeln, kochen, trotzen den Mücken.

Von Hans Gasser

Ein Vater besteigt mit seinem Sohn einen Berg. Das kommt vor, wahrscheinlich, seit es Väter und Söhne gibt. Es kann anstrengend sein oder lustig, aber vor allem erscheint es zunächst banal. Darüber ein Buch schreiben, trägt das?

Torbjørn Ekelund hat das getan. Er ist mit seinem siebenjährigen Sohn August von der Großstadt Oslo, an deren Rand sie wohnen, zum Skrim-Gebirge gefahren, um eine mehrtägige Wanderung mit Zelt und Rucksack zu unternehmen. Sie nannten es Expedition. Das Ziel ist der Gipfel des Styggemann, eines Berges, der mit 872 Metern Höhe nicht so schwierig erscheint. Doch man sollte nicht vorschnell urteilen, was die norwegischen Gebirge anbelangt. Der Skrim mag zwar großteils mit Wald, Mooren und flachen Granitfelsen bedeckt sein, aber er ist wilder als viele Berge in den Alpen, die mit markierten Wegen, Forststraßen und Hütten garniert sind. All das gibt es dort kaum, die Anforderungen an die Orientierung mit Kompass und Karte sind so hoch wie die Gefahr, sich zu verirren. Die wilde, dem Menschen gegenüber gleichgültige Natur ist Ekelunds Sehnsuchtsziel: "Genau diese Gleichgültigkeit, die nicht menschliche Seite der Natur, zieht uns an, aber wir fürchten sie auch."

Dieses Spannungsverhältnis ist das Salz in der Suppe eines jeden Naturerlebnisses und es ist auch die Hauptzutat in Ekelunds lesenswertem Buch "Mein Sohn und der Berg". Er verstärkt diese Spannung, indem er das Verhalten und Denken seines Siebenjährigen während der Expedition mit einem tragischen Ereignis verknüpft, das sich vor 125 Jahren in dieser Gegend zugetragen hat: Der sechsjährige Hans Torske, ein Bub aus der nahen Stadt Kongsberg, hat sich hier 1894 verirrt, als er mit seiner Mutter auf Sommerfrische war. Eine große Suchaktion hatte keinen Erfolg.

"Wenn August guter Laune ist, untersucht er alles, worauf sein Blick fällt. Er legt Steine auf Wegzeichen, springt über Bäche, balanciert auf uralten Baumstämmen. (...) Weiß er, wo wir langgelaufen sind?" Ekelund versucht, sich in den Kopf seines Sohnes hineinzudenken. Dessen Gefühle schwanken stark: "Jetzt habe ich Heimweh, aber ich werde nicht aufgeben." Und, nach ein paar Schritten: "Jetzt habe ich kein Heimweh mehr." Vater und Sohn campen an Seen, angeln, kochen, trotzen den Mücken. August ist ein seit frühen Kindheitstagen an Wandern gewöhntes Kind, denn er beschwert sich kaum. Erst als sie 15 Stunden bei Regen unter dem Vordach einer Almhütte ausharren müssen und bei der letzten, erschöpfenden Etappe auf den Gipfel hadert er mit der Situation: "Warum, Papa? Warum musstest du mich auf diese Tour mitnehmen?"

In alternierenden Kapiteln rollt Ekelund die Geschichte des verschollenen Sechsjährigen auf, rekonstruiert, wo er entlanggelaufen sein könnte, was er gedacht und wie er schließlich zu Tode gekommen sein könnte. Das rührt an, da man den heute lebenden August vor Augen hat und sich noch besser vorstellen kann, was es für das Kind bedeutet haben muss, allein in dieser Wildnis zu sein.

Dem Autor, der naturnah aufgewachsen ist, geht es bei alldem um eine elementare Frage: Was sollen wir den Kindern mitgeben, in der kurzen Zeit, in der sie bei uns sind? Für den Naturmenschen Ekelund ist diese Expedition die Antwort. Nicht so sehr die heute hochgehaltene Freiheit und Einzigartigkeit des Individuums will er seinen Kindern vermitteln. Sondern "das Gefühl, ein kleiner Teil eines großen Zusammenhangs" zu sein: "Zum ersten Mal spürt er vielleicht - für einen kurzen Augenblick -, dass er diese Zeit dazu verwenden muss, die Natur kennenzulernen, sie mit Rücksicht zu behandeln und zu ihrem Erhalt beizutragen."

© SZ vom 26.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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