20 Jahre RTL:"Im Seichten kann man nicht ertrinken."

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Mit RTL fand das Privatfernsehen zu den Bildern für ein ultimatives Motto: Der Köderwurm habe schließlich dem Fisch zu schmecken und nicht dem Angler. Da muss man erst einmal drauf kommen.

HANS HOFF

In den ersten Tagen von RTL gab es einen schönen Trick, um im Luxemburger Café de Paris an ein Freibier zu kommen. Man stellte sich einfach zu den dort oft versammelten Redakteuren von RTL plus und behauptete, in 20 Jahren werde ihr Sender der größte in Deutschland sein. Das gab stets einen herzhaften Lacher und den erhofften Gerstensaft für lau. Niemand glaubte 1984 ernsthaft, dass aus dem Garagenfunk je etwas Bedeutendes werden würde. Niemand außer einem: "DT" nannten sie ihn in Analogie zum zwei Jahre vorher in den Kinos gelandeten Knuddelhelden ET.

(Foto: N/A)

Man war locker drauf bei RTL plus. Begriff sich quasi als Besatzung einer kleinen Westernstadt, die aus einem Schuppen, einem Saloon und einer Eisenbahnlinie bestand. DT, der seit zwei Jahren schon als Nachfolger von Frank Elstner das Luxemburger Privatradio leitete, war der fixe Eisenbahndirektor. "Mochen's dös", sagte der frühere Justiziar des ORF in Wien oft, wenn man ihm etwas vorschlug, und dann machte man es halt. "Das galt als Unterschrift", erinnert sich Björn Hergen Schimpf, der als Sportreporter die Anfangstage erlebte.

DT war natürlich Dr. Helmut Thoma, jener Mann, der früh das ultimative Privatsender-Motto erfand, wonach der Köderwurm dem Fisch zu schmecken habe und nicht dem Angler. Und den Spruch prägte: "Im Seichten kann man nicht ertrinken." Man machte halt Programm, um Zuschauer zu erreichen und nicht, um sich intellektuell selbst zu befriedigen. Anfangs gelang das nur mit einem Trick, denn vor der Bewilligung des 25-Millionen-Mark-Etats wollten die Gesellschafter eine Sicherheit, dass wenigstens zehn Millionen wieder rein kommen. Also besorgte Thoma Gefälligkeitsgutachten von einem befreundeten Werber. Zufällig stand in dem Gutachten dann drin, dass der Sender im ersten Jahr mindestens zehn Millionen Mark einspielen werde. "Die zehn Millionen sind dann tatsächlich reingekommen. Da waren wir selber verwundert", erinnert sich Thoma, den damals schon die feste Absicht trieb, etwas nicht zu Übersehendes aus seinem Sender zu machen. "Einen gewissen Größenwahn hat man mir schon attestiert", sagt er heute. Ständig war der Karl-Kraus-Liebhaber in den frühen Tagen auf Achse und buhlte um Kabelplätze und Antennenfrequenzen. Gesendet wurde auch.

"Ich war schon zufrieden, wenn der ganze Bildschirm gefüllt war und sich etwas in Farbe bewegte", erinnert sich der Österreicher, der wenig Leinwandmaterial besaß: "Der Kirch hatte damals 15 000 Filme im Lager, wir zwölf." Die Übertragung eines klassischen Konzerts, wie vom Gesellschafter Bertelsmann vorgeschlagen, war ihm dennoch suspekt.

Zum Muttertag erschien es eine gute Idee, aus dem Mini-Archiv das Werk "Die kleine Mutter" zu bringen. Den hatte natürlich niemand vorab gesehen, weshalb während der Ausstrahlung ein aufgeregter Vorführer bei Thoma anrief und reportierte, es handele sich keineswegs um einen Muttertags-tauglichen Film, sondern eher um eine Art Softporno. "Mochen's halt a Bildstörung", ordnete Thoma an, was den am Folgetag erzürnt protestierenden Bischof aber nicht besänftigen konnte. Hätte der Kirchenmann gewusst, dass Thoma plante, noch ganz andere Dinge auf die Zuschauer loszulassen - sein Aufschrei wäre wohl noch weitaus heftiger ausgefallen.

© SZ v. 18.12.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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