Theater:Ein Spiel

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Theo van Goghs "Interview" im Theater Blaue Maus

Von Egbert Tholl, München

Als Martin Kušej das Residenztheater übernahm, brachte er dort bald auch eine Inszenierung heraus, die er zwei Jahre zuvor im Theater am Neumarkt in Zürich gemacht hatte. Es war "Das Interview", im Kern der vorletzte Film des Holländers Theo van Gogh, der 2004 von einem religiösen Eiferer erschossen worden war. Damals spielten Sebastian Blomberg und Birgit Minichmayr. Es war faszinierend zu beobachten, wie zwei Schauspieler die Konstruiertheit des Zweipersonenstücks durchbrechen und zu dessen Kern gelangen konnten, zu einem sich ins Mark der Figuren und damit der Zuschauer hineindrehendes Spiel der Geschlechter, der Macht, der Ressentiments, der Eitelkeit.

Ein abgetakelter politischer Redakteur wird zu einem Interview mit einer jungen Schauspielerin geschickt, die schlichtweg die erfolgreichste Darstellerin des Landes ist - in Zuschauerzahlen gemessen. Der Redakteur, Pierre, hat schlechte Laune, weil an diesem Tag die Regierung zurücktreten wird und er sich eher im Zentrum des politischen Geschehens sieht denn als Gesprächspartner für eine Person, die für ihn nur aus "zwei Titten" besteht. Die Schauspielerin, Katja, besteht indes aus deutlich mehr und hat eine gewisse Sehnsucht, dass sich endlich jemand auch für dieses Mehr interessieren würde. Doch Pierre steht dafür seine Arroganz im Weg und Katja letztlich ihr Zorn. Interessant ist nun weniger, was Pierre im Bosnienkrieg erlebt hat und auch nicht das Krebsleiden, das sich Katja im immer gnadenloseren Spiel der gegenseitigen Verwundungen von einer Freundin ausborgt. Interessant ist das Spiel der Macht zwischen zwei Menschen, die eine quasi professionelle Situation einander ausliefert.

Nun haben Claus und Sigi Siegert "Das Interview" im Theater Blaue Maus inszeniert, und es wiederholt sich der Eindruck wie damals am Resi: Erst wenn man über einiges Hanebüchene in Van Goghs konstruiertem Duell hinwegsehen kann, wird der Abend spannend. Es gelingt, obwohl man Klaus Gramüller beim besten Willen nicht den leicht zynisch gewordenen Politprofi abnehmen kann. Er taugt auch nicht sehr viel als potenzielles erotisches Objekt der jungen Schönen. Aber: Er spielt eine ganz eigene Verlorenheit, entdeckt als Pierre in dieser eine mögliche Nähe zu Katja, an die nur er selbst glaubt.

Katja indes flirrt. So wie Ines Hollinger sie spielt, könnte vieles von dem, was Pierre in ihr sehen will, wahr sein. Oder eben auch nicht - sie spielt ja Schauspielerin. Man glaubt eigentlich nicht einmal, dass das Kokain echt ist, das sie ostentativ schnupft. Dagegen könnte man ihr die ausgeborgte Krebserkrankung glauben. Man weiß es nicht, und umso lieber schaut man ihr zu. Hollingers Katja ist sympathisch, auch wenn sie natürlich manchmal, wenn auch recht selten, nervt. Muss sie ja. Doch mit dieser Katja, so denkt man sich, mehr Journalisten-Profi als Van Goghs Pierre, mit dieser Katja könnte ein Interview interessant sein. Pierre denkt das nicht. Das ist schade, denn dann könnte es wirklich aufregend werden. So steht die Siegerin schon früh fest.

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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