Spielzeit:Achtet auf die Acht

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Man glaubt, man wäre in München: Das neue Leitungsduo des Zürcher Schauspielhauses, Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg, stellt seinen Plan für die Spielzeit 2019/2020 vor. Außergewöhnlich sind nur die acht Hausregisseure, sie sollen alle in Zürich leben.

Von Egbert Tholl

Nimmt man das Spielzeitheft des Zürcher Schauspielhauses zur kommenden Saison 2019/2020 in die Hand, dann glaubt man, sich vergriffen zu haben. Doch da steht Zürich drauf, nicht München. Von dort kommt allerdings die neue Leitung. Benjamin von Blomberg und Nicolas Stemann, die als Doppelspitze ab dem Herbst 2019 das Zürcher Haus leiten werden, waren in den ersten drei Jahren der Kammerspiel-Intendanz von Matthias Lilienthal, von 2015 bis 2018, dort engagiert, der eine als Chefdramaturg, der andere als Regisseur.

Schaut man sich an, was sie nun in Zürich vorhaben, wundert man sich, weshalb sie München eigentlich verließen. Im Geleitwort schreibt Stemann, das Theater, das in Zürich entstehen soll, sei "vielfältig, reiche vom traditionellen Sprechtheater bis zu Formaten, die bislang im Film und in der Bildenden Kunst zu Hause waren, von zeitgenössischem Tanz bis zu bewusst niedrigschwelligem Theater für und mit Jugendlichen". Klingt wie eine Beschreibung der Kammerspiele im Ist-Zustand.

Außergewöhnlich ist die Anzahl von acht Hausregisseurinnen und -regisseuren, sie sollen alle in Zürich leben, fünf von ihnen kennt man aus den Kammerspielen: Stemann selber, Leonie Böhm, Alexander Giesche, Trajal Harrell, Christopher Rüping. Dazu kommen Yana Ross, zuletzt Hausregisseurin am Litauischen Nationaltheater, Suna Gürler, die Schweizer Wurzeln hat und zuletzt am Berliner Maxim Gorki Theater arbeitete, so wie Wu Tsang, Filmemacherin und Performerin. Neben diesen, genannt "Die Acht", werden Christiane Jatahy und Christoph Marthaler inszenieren, Milo Rau seine "Orest in Mossul"-Arbeit zeigen, die er gerade am "NTGent" aufgeführt hat, sowie Johan Simons seinen Houellebecq-Abend "Plattform/Unterwerfung", den er am von ihm geleiteten Schauspielhaus Bochum herausbrachte. Mit Bochum plant man einen festen Austausch, überhaupt wird das Zürcher Schauspielhaus vernetzt sein, mit diversen Festivals und anderen Häusern, es soll zahlreiche Gastspiele geben, "queere Parties", einen Salon. Das Ensemble, bestehend aus 35 Schauspielerinnen und Schauspielern, ist divers, lediglich fünf waren bereits unter Barbara Frey, der scheidenden Intendantin, in Zürich engagiert.

Mitte September zeigen "Die Acht" dann acht bestehende Arbeiten als Übernahmen. Erst danach wird sich erweisen, ob Stemann und Blomberg es schaffen, auf die spezifischen Befindlichkeiten von Zürich und seiner Bevölkerung einzugehen. A priori wirkt der Spielplan genau so, wie man zeitgenössisches Theater jetzt halt so macht, egal ob in Berlin, München oder eben Zürich. Barbara Frey war da schweizerischer.

© SZ vom 07.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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