Schauplatz Madrid:Kulturkampf in der Stierarena

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Der traditionelle spanische Stierkampf ist inzwischen zu einem nationalen Streitthema geworden, das nicht nur die Politik und das Land, sondern auch die königliche Familie spaltet.

Von Thomas Urban

Eigentlich hatte der emeritierte König Juan Carlos verkündet, er wolle nicht mehr öffentlich auftreten. Doch nun trat er für sein Herzensanliegen noch einmal vor die Fotografen: Er nahm den Sonderpreis der Parlamentarischen Gesellschaft für den Stierkampf entgegen, eine Bronzeskulptur, die, nicht überraschend, einen triumphierenden Torero zeigt. Ebenso wenig überraschend: Der Gesellschaft gehören vor allem Abgeordnete konservativer und nationalistischer Gruppierungen an. Entsprechend berichten die ihnen nahestehenden Zeitungen auf den Kulturseiten über die Corrida, während linke Politiker und Publizisten sie als Unkultur schmähen. Es gibt einen Kulturkampf zwischen links und rechts, der die spanische Gesellschaft seit Langem spaltet, der es auch unmöglich macht, dass sich im Parlament eine Mehrheit für eine Koalition findet. So kommt es, dass das Land nun schon im vierten Jahr von Minderheitskabinetten regiert wird.

Juan Carlos hat in den fast vier Jahrzehnten, in denen er an der Spitze des Königreichs stand, Hunderte von Corridas besucht und seine Begeisterung für die "hohe Kunst" der Toreros nie verhehlt. Königin Sofía machte dagegen einen großen Bogen um die Arenen. In der seit einem Jahr ohne parlamentarische Mehrheit regierenden Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) hat man dazu klar Position bezogen: Die Ministerin für Ökologischen Umbau, Teresa Ribera, sagte, ohne allerdings den nun ausgezeichneten Ex-König Juan Carlos zu erwähnen: "Uns gefallen lebende Tiere viel mehr." Das Präsidium des Senats, des Oberhauses des Parlaments, in dem die PSOE seit den Wahlen vor zehn Wochen die absolute Mehrheit stellt, hat zum großen Ärger der Konservativen kürzlich sogar zu einem Symposium über den Stierkampf eingeladen; auf ihm zeigten Vertreter der Tierschutzorganisation "La tortura no es cultura" (Quälerei ist keine Kultur) Bilder vom Todeskampf der Stiere.

Die rechts orientierten Parteien werden weiter von der Regierung fordern, bei der Unesco durchzusetzen, dass die Corrida das Etikett Weltkulturerbe bekommt. Die Gefolgschaft des sozialistischen Premiers Pedro Sánchez aber wird versuchen, eine Mehrheit unter den Parlamentariern für das Gegenteil zusammenzubekommen. Erster Schritt: Ein neues Gesetz soll den Regionen erlauben, den Stierkampf zu verbieten. Dies hatten die Regionalregierungen Kataloniens und der Balearen bereits getan, doch das Verfassungsgericht in Madrid hatte diese Verbote mit einer formalen Begründung kassiert: Es sei nicht Sache der Regionen, sondern nur des Parlaments in Madrid, über nationale Traditionen zu befinden. Juan Carlos zog es vor, zu diesem Kulturkampf nichts zu sagen, sondern bei der Preisverleihung zufrieden zu nicken.

© SZ vom 17.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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