Kurzkritik:Starker Siegfried

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Ein grandioser Stefan Vinke bei den Opernfestspielen

Von Andreas Pernpeintner, München

Drei Stunden sind vergangen, als mit dem Waldvöglein beim Festspiel-"Siegfried" die erste Frauenstimme erklingt. Mirella Hagen singt das hinreißend, und überhaupt ist es eine zauberhafte Stelle, da hier Andreas Kriegenburgs Inszenierungsidee aufgeht, fast alles, was zu einem anständigen "Siegfried" gehört (Bäume, Vögel, Feuer, Monsterwurm), durch eine stetig zappelnde, schleichende, kletternde, sich räkelnde Statistenschar darzustellen. So entstehen Bewegung und mitunter eindrucksvolle Bilder - der züngelnde, aus Menschen gruppierte Fafner-Kopf ist wohl das stärkste. Anderswo versagt das Konzept: Das Schmieden des unaussprechlichen Schwertes Nothung mit weißen Heinzelmännchen zu garnieren, wirkt albern. Das erinnert an die herzig geschäftigen Oompa Loompas aus Roald Dahls "Charlie und die Schokoladenfabrik". Nur entsteht im "Siegfried" kein Schokoriegel, sondern zu tosender Musik eine Totschlagswaffe - was beileibe nicht heißen soll, Humor hätte in dieser Oper keinen Platz (siehe Vögleinszene).

Damit ist man bei Stefan Vinke in der Titelrolle des Siegfried. Es gibt ja über alle Akteure Schönes zu berichten (über Wolfgang Ablinger-Sperrhacke als fiesen Mime, Wolfgang Koch als dunklen Wanderer, John Lundgren als Alberich und Ain Anger als Fafner, Okka von der Damerau als würdevolle Erda, Nina Stemme als mächtig zaudernde Brünnhilde). Aber Vinkes Leistung ist noch größer: Erst das Schmiedelied, gegen das das "Meistersinger"-Schusterlied die reinste Ballade ist; dann die lyrische Melancholie des Waldes; und nach mehreren Stunden Dauereinsatzes liegt eine vollkommen ausgeruhte Brünnhilde da, bereit zum Duett. Obwohl Stemme in der Höhe kräftig den Nachbrenner zuschaltet, behauptet sich Vinke grandios.

Mehr Applaus ernten nur Kirill Petrenko und das Bayerische Staatsorchester. Wie diese Dirigenten-Orchester-Gemeinschaft Partituren erweckt, analytisch präzise und klanglich aufopferungsvoll zugleich, ist - mal wieder - ein Fundamentalerlebnis.

© SZ vom 26.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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