Fernsehen:Isabelle Huppert in "The Romanoffs"

Lesezeit: 1 min

(Foto: Amazon)

Von Marie Schmidt

Alles was grausam ist am kollektiven Arbeiten, besonders in der Kunst, was in Akademien, auf Filmsets, bei Theaterproduktionen Menschen gefährdet, all die verletzliche Eitelkeit, die enttäuschten Vorstellungen und maßlos tyrannische Liebesbedürftigkeit, kann diese Frau in ein Zucken ihrer Mundwinkel legen: Isabelle Huppert.

In der dritten Folge von Matthew Weiners neuer Serie "The Romanoffs" spielt sie die Regisseurin einer Serie namens − "The Romanoffs". Die Darstellerin der Hauptrolle der Serie in der Serie spielt Christina Hendricks. Einmal bettelt sie etwas ungeschickt um Führung: "Ich reagiere sehr stark auf Lob". Da lässt Huppert sie mit einer Verachtung und Wut abblitzen, tritt diesen Schrei nach Liebe so kalt in den Staub, als müsse sie alles in dieser Szene zusammenbringen, was je über emotionalen Missbrauch gewusst worden ist. Bezeichnend übrigens, dass Matthew Weiner, der Showrunner von "Mad Men", dem zuletzt eine Drehbuchautorin "Missbrauch von Machtdynamiken am Arbeitsplatz" vorwarf, ausgerechnet einen Film über Missbrauch von Machtdynamiken an einem Filmset gedreht hat. Oder eigentlich eine Geschichte über Besessenheit: Alle Protagonisten der Serie "The Romanoffs" werden ja eigentlich von Geistern heimgesucht. Sie besteht aus acht Folgen in Spielfilmlänge, die je unabhängige Geschichten von den Nachkommen der Romanows erzählen, dem Aristokratengeschlecht, aus dem die 1918 von den Bolschewiken ermordete Zarenfamilie stammte.

In der gruseligsten und zugleich lustigsten Szene mit Christina Hendricks und Isabelle Huppert hält die Regisseurin gerade ein Dinner mit Filminvestoren ab, als eine Ahnin in sie fährt. Huppert lässt die Stirn auf die Tischplatte rummsen, erhebt sich wie von Fäden aus der Hölle gezogen und kann plötzlich Russisch. Sie spricht in Zungen: "Ich bin die Kaiserinwitwe Marie, Dagmar von Dänemark, Maria Fjodorowna", die Mutter des ermordeten Zaren Nikolaus II. Als solche wütet und flucht und brüllt sie, fällt dann in sich zusammen, dass das Genick knackt. Wir sehen, es gibt noch etwas Gruseligeres als Gespenster und Vorgesetzte: ururalte Geister der Geschichte im Leib eines Machtmenschen.

© SZ vom 27.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: