Panik an der Börse:Auf Treibsand gebaut

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Wie unseriöse Immobilienkredite aus den USA mittlerweile die gesamte Weltwirtschaft erschüttern.

Nikolaus Piper

Die Börsen waren gewarnt. Alle wussten, dass das erste Quartal des neuen Jahres extrem gefährlich werden würde. Im Januar müssen die großen Banken ihre Bilanzen veröffentlichen und offenlegen, wie sehr sie sich in der amerikanischen Immobilienkrise verspekuliert haben.

Eine Fülle schlechter Nachrichten würde die Nerven der Investoren strapazieren. Genau so ist es gekommen. Zwei der wichtigsten Institute an der Wall Street, Merrill Lynch und Citigroup, meldeten Milliardenverluste aus Geschäften mit faulen Hypotheken. In Deutschland erwischte es die Münchener Hypo Real Estate. Dort waren die Verluste zwar vergleichsweise klein, weil die Nachricht aber völlig unerwartet kam, löste sie einen regelrechten Schock aus. Und schließlich stehen die USA am Rande einer Rezession.

Billiges Geld

Wer die Krise verstehen will, muss sechseinhalb Jahre zurückblicken - bis zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Um eine Panik zu verhindern, beschloss die amerikanische Notenbank Federal Reserve damals, die Zinsen zu senken und massiv Geld in die Wirtschaft zu pumpen.

Der Schritt war zwar richtig, das Problem lag jedoch darin, dass die Notenbank die Politik des leichten Geldes auch dann beibehielt, als es der US-Wirtschaft längst wieder gut ging. So ermöglichte sie eine gigantische Immobilien- und Kreditspekulation.

Die Preise für Häuser und Grundstücke stiegen, immer mehr Amerikaner wollten ihren Traum vom eigenen Heim verwirklichen. Hypothekenbanken spezialisierten sich darauf, diesen Traum auch solchen Familien zu ermöglichen, die sich das bisher nicht leisten konnten.

Sie vergaben zweitklassige Hypothekendarlehen, die zwar teurer waren als herkömmliche, bei denen aber nicht so genau nach dem Einkommen gefragt wurde und die außerdem sehr niedrige Einstiegszinsen boten. Die meisten dieser so genannten Subprime Loans waren von vorneherein unseriös und nur zu rechtfertigen unter der Annahme, dass die Immobilien-Preise immer weiter steigen.

Natürlich taten sie das nicht; im Herbst 2006 kehrte sich der Trend auf dem Immobilienmarkt um. In einigen Bundesstaaten begannen die Preise zu sinken und immer mehr Hausbesitzer konnten Zins und Tilgung für ihre Darlehen nicht mehr bedienen. Zunächst war dies nur ein Thema für Verbraucheranwälte und Sozialarbeiter, doch bereits im März 2007 zeigten sich die ersten Spuren der Krise bei den großen Banken.

Viele unter ihnen hatten an dem Geschäft mit den Subprime Loans - insgesamt eine Billion Dollar - kräftig mitverdient. Sie kauften den Geldverleihern die Kredite ab, bündelten sie und verkauften sie an ihre Kunden weiter. Theoretisch hätten die Risiken auf diese Weise breit auf den Finanzmärkten gestreut und somit weniger gefährlich sein sollen.

Giftmüll im System

Praktisch beteiligten sich die Banken jedoch selbst an dem Handel mit den riskanten Wertpapieren. Das merkte zunächst nur niemand, weil sie das Geschäft in speziellen Geschäftseinheiten versteckten, die nicht in der Bilanz auftauchten. Die Citigroup wurde sogar Marktführerin in dem Geschäft. Ende Juli endlich wurden die Börsen gewahr, wie viel Giftmüll im Bankensystem steckte, es kam es zu den ersten Panikattacken.

Seither sind die Finanzmärkte nicht mehr zur Ruhe gekommen. Mehrere Kräfte ziehen die US-Wirtschaft nach unten: Weil die Immobilienpreise sinken, werden mehr Hypothekenkredite notleidend. Die Banken müssen ihr Kreditangebot beschränken, weniger neue Häuser werden finanziert, die Preise weiter sinken. Wegen ihrer Verluste müssen die Banken generell die Kreditbedingungen verschärfen.

Kapitalanleger meiden Risiken und stecken ihr Geld statt in Aktien in sichere Staatsanleihen. Das Immobilienvermögen vieler amerikanischer Familien sinkt, deshalb konsumieren sie weniger. Das drückt Einnahmen und Gewinne der Unternehmen. Bis jetzt erwarten Konjunkturexperten, dass die Rezession in den USA auf zwei Quartale beschränkt bleibt; der Schaden für die Weltwirtschaft wäre damit begrenzt. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Panik an den Börsen schnell aufhört.

© SZ vom 22.1.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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