Zukunft der SPD:Ärger um den Kandidaten Scholz

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Zwei Finanzskandale belasten den Bundesfinanzminister. Das ärgert viele Leser, auch, weil der SPD-Kanzlerkandidat sich dazu nur spärlich äußere. Für echte Aufklärung plädieren einige, und einer warnt vor plumper Image-Schädigung.

SZ-Zeichnung: Karin Mihm (Foto: N/A)

Zu "Stresstest für Olaf Scholz" vom 15. September, "Kandidat mit Rucksack" vom 5./6. September sowie zu "Tagebuch bringt Scholz in Erklärungsnot" und "Liebes Tagebuch", beide vom 4. September:

Zweierlei Maß

Was ist faktisch geschehen? Ein sehr vermögender Banker hat sich innerhalb von zwei Jahren dreimal mit Herrn Scholz (damals Hamburgs Bürgermeister) getroffen, einmal wurde telefoniert. Herr Scholz hat sich die Sorgen des Bankers angehört und empfohlen, einen Schriftsatz des Bankers an den damaligen Hamburger Finanzsenator weiterzuleiten. Ein anderer SPD-Mann, ebenfalls in diese Vorgänge involviert, hat von diesem Banker 2017 eine Spende von 38 000 Euro für seinen Wahlkreis erhalten.

Erst 2020 kam es laut SZ-Artikel zu einer ersten richterlichen Beurteilung der Geschäfte der Bank. Aus dem Tagebuch des Bankers wird umfangreich zitiert, um ein angeblich skandalöses Verhalten des heutigen Bundesfinanzministers aufzuzeigen und ein Geraune über Hinterzimmer-Lobbyismus, vielleicht sogar Bestechlichkeit zu beginnen. Das Tagebuch wird von der SZ quasi als unbestechlicher "Kronzeuge" der Anschuldigung gegen Herrn Scholz geführt, die Unschuldsbeteuerung des Bankers im gleichen Tagebuch jedoch mit den richterlichen Aussagen aus 2020 und dem noch anhängenden Verfahren beim Bundesgerichtshof gekontert. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Wäre Herr Scholz nicht Kanzlerkandidat der SPD, hätte die SZ die Informationen (ein Tagebuch) bestenfalls auf Seite 6 oder 7 platziert. Das wäre adäquat. Und selbstverständlich müssen sich zu den Vorgängen noch einige Personen erklären.

Dr. Thomas Lukowski, München

Wirtschaftsprüfer in den Fokus

Interessanter Artikel über den Kandidaten mit Rucksack. Aber diese Zeitung hat doch meiner Meinung nach Scholz als Kandidaten hochgeschrieben. Und ein Minister kann nicht alle Feinheiten seines Ministeriums und anderer Organisationen überblicken. Der Cum-Ex-Vorgang ist natürlich zweifelhaft. Wenn der Staat versagt, ist das Geschrei groß, was aber auch eine Folge der Deregulierung ist. Nur finde ich empörender, dass niemand über das Versager der privaten Wirtschaftsprüfer schreibt. Diese "Eliten" (E&Y) haben zehn Jahre lang Wirecard geprüft und auf dem Papier ein Vermögen von 1,9 Milliarden Euro als real angenommen. Das ist ja irre! Weshalb schreiben Journalisten nicht mehr Artikel darüber?

Peter Falk, Berlin

Finanzminister reitet sich rein

Der Cum-Ex-Skandal als großer Steuerbetrug hat dem Steuerzahler Schäden in Milliardenhöhe beschert. Und die Warburg Bank war Teil eines Cum-Ex-Komplotts schlicht dadurch, dass der Fiskus besagte 47 Millionen auf ein bei ihr bestehendes Konto erstattete, zu Unrecht, und später zurückforderte - und das zu Recht, 2017 war noch nichts verjährt. All das wissen wir auch dank SZ-Recherchen, und das weiß die SPD Hamburg.

Dass eine Stadtregierung auch mit Unternehmen redet: was denn sonst? Wenn aber der Chef der ersten Privatbank vor Ort bei Olaf Scholz anruft, ist das eine andere Nummer, als wenn ein Vorstadtklub um längere Öffnungszeiten bittet. Da geht das Adrenalin hoch, da macht man sich Notizen (machte Herr Olearius schließlich auch), daran erinnert man sich. Ein Erster Bürgermeister sollte den Bittsteller und sein Ansinnen höflich aber unmissverständlich - meinetwegen in einem Vieraugengespräch - zurückweisen.

Aus dem Tagebuch klingt es anders - pures Wunschdenken des Herrn Olearius? Oder hat der seine eigenen - streng privaten - Notizen gar frei erfunden, um sie später durchzustechen und um Herrn Scholz zu schaden, wo er eigentlich etwas von ihm wollte?

Kann es eine ernsthafte Abwägung geben? Steuerbetrug, oder der Verzicht auf Rückforderung durch Steuerbetrug erlangter Mittel als Beschäftigungsmodell, als vermeintliche Garantie für das Überleben eines solchen Bankhauses, als Schmuck der stolzen Stadt Hamburg? Allen Ernstes?! Wenn Herr Scholz tatsächlich eine Spur von Unklarheit bei seinem Gesprächspartner hinterließ, hat er als Politiker dreifachen Verrat begangen: als Vertreter der Steuerzahler, als Chef seiner Mitarbeiter (Steuerbehörden), denen er in den Rücken fiel, und an seiner SPD, ihren Werten und ihrem Kanzleranspruch.

Im Raum stehen hier nicht eine mögliche persönliche Vorteilsnahme, nicht die "Moral", sondern die intellektuelle und charakterliche Qualifikation, das Urteilsvermögen mancher Spitzenpolitiker. Was geht in deren Köpfen vor? Nehmen sie sich mal zehn Minuten, um ihre grundsätzlichen Prioritäten zu ordnen? Welche Interessen sie vertreten (die öffentlichen), welche Rolle sie spielen (als Chef ihrer Finanzbehörden)? Nein, alles ist viel komplizierter, wir verstehen das nur nicht, aber Herr Scholz erklärt uns, welche Erwägungen ihn geleitet haben!? Nein, tut er nicht. Um sich juristisch zu schützen, reitet er sich politisch noch tiefer hinein: er, der "Aktenfresser", erinnert sich nicht!

Dr. Peter Kohlhepp, Karlsruhe

Rot-Rot-Grün unwahrscheinlich

Ob Scholz oder nicht Scholz, die Wahl im größten Bundesland NRW (das bisher bei jeder Bundestagswahl mit seinen rund 13Millionen Wählern wahlentscheidend war), hat ein ganz anderes Problem offenbart - der Traum von einer rot-rot-grünen Mehrheit nach der nächsten Bundestagswahl scheint ausgeträumt zu sein. Denn es fand in NRW nur ein Stimmenaustausch innerhalb dieses Lagers statt ohne echten Zugewinn - die acht Prozent zusätzlich für die Grünen sind genau die acht Prozent Verlust der SPD, also quasi ein Nullsummenspiel für Rot-Rot-Grün, von den Linken ganz zu schweigen, die mangels Masse im Westen der Republik kaum entscheidende Punkte beitragen können.

Wilfried Mommert, Berlin

Auf Inhalt statt auf Image achten

Ist es schon wieder das gleiche Spiel? 2013: Peer Steinbrück ist Kanzlerkandidat. Die SZ titelt mit der Schlagzeile "Steinbrück fordert höheres Kanzlergehalt". Steinbrück hatte nebenbei bemerkt, dass ein Sparkassendirektor in NRW mehr Gehalt bekomme als der Bundeskanzler. Die Schlagzeile war eine grobe Unterstellung. Aber, zusammen mit seinen hohen Rednerhonoraren, war das Image festgeschrieben, das Steinbrück nicht mehr los wurde: Dem geht's nur ums Geld.

2020: Olaf Scholz ist Kanzlerkandidat. Die SZ titelt "Tagebuch bringt Scholz in Erklärungsnot". In seinem Tagebuch stellt ein Banker aus seiner Sicht dar, wie er versucht, die Politik dafür zu gewinnen, seine Bank vor Steuernachzahlungen zu retten. Scholz, mehrfach angegangen, hört sich das an, verweist es an die Finanzverwaltung. Mehr steht bisher nicht fest. Kritischer Journalismus muss nun freilich nachfragen: Ging es hier um die politische Vertuschung des skrupellosen Handelns von Finanzhaien oder um die Rettung einer systemrelevanten Bank vor dem Zusammenbruch? Nur hätte ich gerne das Gefühl, dass es um die Wahrheit geht, nicht (wieder) um ein Verfertigen eines Images, das dann hängen bleibt: Der kungelt mit den Banken.

Wolfgang Handschuch, München

© SZ vom 26.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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