Zukunft der Kirchen II:Benedikts Welt erzürnt

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Ein Aufsatz, in dem Benedikt die 68er für den kirchlichen Missbrauch mitverantwortlich macht, regt die Leserschaft auf.

Für den emeritierten Papst Benedikt XVI sind die 68er und die von dieser Generation inititierte gesellschaftliche Revolution eine Ursache für den sexuellen Missbrauch von Kindern in der katholischen Kirche. (Foto: dpa)

Zu " Pornos im Priesterseminar" und " Die anderen sind schuld" vom 12. April:

Die Äußerungen des früheren Papstes sind unerträglich und abscheulich. Da genügt auch kein: "Si tacuisses", weil sie zu großen Schaden anrichten: bei den Geschädigten, die nochmals missachtet werden, bei den Gläubigen, die in die Irre geführt werden, vor allem aber auch bei den vielen Tätern, die sich jetzt "entschuldet" wähnen. Statt Aufarbeitung und Scham über die Verbrechen von Kirchenvertretern ein Rückfall in Zeiten, wo alles, was mit Sexualität zu tun hatte, böse und "widernatürlich" war und schon gar nicht darüber gesprochen werden durfte. Dafür fand es umso scheußlicher im Geheimen statt. Kann unter diesen Umständen Ökumene stattfinden?

Sybille von Massow, Oldenburg

Die Stellungnahme des früheren Papstes ist in ihrer dreisten Ignoranz nicht zu überbieten; eine zum Himmel schreiende Verdrehung der tatsächlichen Ursachen. Katholische Demut wäre nach all den Missbrauchsfällen jetzt angesagt und ein ehrlicher Wille zur Aufklärung. Keine Spur davon bei Benedikt XVI. Als Theologe sollte er seine Bibel kennen: im Alten Testament, der hebräischen Bibel, die Geschichte vom Sündenbock, den man sich sucht - hier, um von der eigenen Schuld abzulenken. Und im Neuen Testament die Aussage Jesu in der Bergpredigt, "Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge?" Jesus von Nazareth war ein weiser Menschenkenner, der sich lange vor Sigmund Freud mit dem Vorgang der psychischen Projektion auskannte - der eigene Schatten wird verdrängt und auf anderes projiziert.

Johannes Rietberg, ev. Pfarrer, Engelsbrand

Der ehemalige Papst Benedikt sieht die Schuld an den kirchlichen Missbräuchen bei den 68ern. Das finde ich unerhört. Ich bin Jahrgang 1943 und bin heute noch stolz darauf, bei dieser notwendigen politischen Bewegung aktiv dabei gewesen zu sein. Ich wurde dadurch weder pädophil noch sexuell gestört! Als junger Mensch mit 13 Jahren war ich in einem katholischen Internat. Ich bin zwar nicht sexuell missbraucht worden, aber ich wurde verprügelt, es gab ein ausgeprägtes Spitzelsystem und es wurden bei mir die Weichen gestellt für ein Leben ohne Glauben, Gott und Kirche. Ich bin seit Jahrzehnten in vielen ehrenamtlichen Aktivitäten unterwegs, auch ohne "den Auftrag christlicher Nächstenliebe". Benedikt sagt: "Eine Welt ohne Gott, ist eine Welt ohne Moral." Dem setze ich entgegen, eine Welt ohne Religionen wäre vielleicht eine friedlichere Welt.

Klaus Reichel, Moosburg

© SZ vom 11.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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