Wirtschaftliche Folgen der Pandemie:Es kostet Geld und Leben

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Die Sorge um die Gesundheit überlagert vieles. Es fehle die Weitsicht in der Politik, monieren Leser. Es gehe nicht darum, ökonomische Folgen gegen Menschenwohl abzuwägen, sondern beides zu bedenken. Neue Gesellschaftsmodelle seien denkbar.

SZ-Zeichnung: Denis Metz (Foto: N/A)

Zu " Staat, hilf!", 28./29. März, " Dafür gibt es kein Drehbuch" und " Platz da" vom 26. März, " Versprechen einer Welt danach", 24. März sowie " Sturz in die Rezession" vom 20. März:

Zehren von den guten Jahren

Wenn der Bundestag jetzt zur Bewältigung der Corona-Krise und ihrer Folgen ein Rettungspaket mit dem gigantischen Umfang von über 1400 Milliarden Euro beschließt, wenn der Bundesfinanzminister sagen konnte: "Wir können uns das leisten" - dann möge man sich daran erinnern, welche Leistung all das möglich gemacht hat: nämlich der seit 2014 ausgeglichene Bundeshaushalt, der Schuldenabbau, ermöglicht durch die schwarze Null. Der Bundesregierung und ihren Finanzministern ist es zu danken, dass sie die schwarze Null gegen alle Angriffe standhaft verteidigt haben. Noch im vergangenen Herbst verlauteten Scharen von politischen Akteuren und Kommentatoren, die schwarze Null sei ein Unglück für die Gesellschaft, neue Schulden müssten her. Jetzt wirkt sie als Segen, von allen Seiten unbestritten. Auch in modernen Zeiten ist es also zuweilen heilsam, nach den alten Prinzipien eines sorgenden Hausvaters zu handeln und Geld auf die hohe Kante zu legen - für Notfälle.

Peter Maicher, Zorneding

Verlierer sind die Steuerzahler

Heribert Prantl schildert in der Kolumne "Staat, hilf!" das Wechselspiel zwischen der Forderung nach mehr Privatisierung und dem Ruf nach "Vater Staat". Beispielhaft verweist er auf den Zwiespalt zwischen am Kommerz orientierten, börsennotierten Krankenhäusern und der staatlichen Aufgabe der Gesundheitsvorsorge für seine Bürger. Prantl zitiert Herbert Wehner: "Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen." Zu Recht! Aber: Das Problem, nicht nur bei Corona, ist: Das so benannte "Wechselspiel" zwischen dem privaten Sektor und dem Staat scheint mir kein echtes! Am bitteren Ende muss letztlich doch Vater Staat einspringen. Er, also die Steuerzahler, sind immer auf der Verliererseite.

Reinhard Kniepkamp, Paderborn

Rezession bringt auch Normalität

Der Begriff der Rezession klingt zunächst erschreckend. Natürlich sind deswegen unsere Steuergelder vorrangig dafür da, dass kein (!) Mensch in echte Armut und Obdachlosigkeit rutscht. Kleine Unternehmen und Selbständige müssen gerettet werden. Aber ist es richtig, den Lebensstil der Industriestaaten mit "Normalität" zu bezeichnen? Ist aus globaler Sicht eine Rezession in den (insbesondere westlichen) Industriestaaten nicht sogar dringend notwendig? Zum Schutz des Klimas, der Umwelt und der Ressourcen? Notwendig zum Leben in Würde und zum Überleben unserer Enkel und Urenkel! Ist eine Minimierung unseres ökologischen Fußabdrucks nicht ohnehin zwingend notwendig?

Da mit dem durchschnittlichen Lebensstil der Bürger der westlichen Industriestaaten die Grenzen der Freiheit ständig überschritten werden, wird damit unser kostbarstes Gut, die Freiheit, zunehmend zerstört.

Volker Freiesleben, Köln

Mehr Weitsicht, bitte!

Warum melden sich die Wirtschaftsexperten nicht viel stärker zu Wort? Wir können alle die Kurven zur Pandemie zeichnen. Aber es gibt kaum Informationen über die wirtschaftlichen Folgen der aktuellen Pandemiebekämpfungsstrategie. Der Staat verschuldet sich mit Hilfsgeldern, die nicht reichen werden, um Tausende Unternehmen und Selbstständige vor der Insolvenz zu bewahren. Wenn das künstliche Wirtschaftskoma noch Wochen aufrechterhalten wird, dann werden diese ganzen staatlichen Ausgaben einfach nur sinnlos verbrannte Mittel sein, die für die Zeit nach Corona fehlen. Auch Kredite verlängern in der aktuellen Situation für die meisten Unternehmen nur die Gnadenfrist bis zur Insolvenz. Wir sollten langsam beginnen, wieder an die Zukunft zu denken. Was wird sein, wenn Millionen Menschen ihre Arbeit verloren haben? Wenn auch gesunde Unternehmen aufgeben mussten? Wenn infolge des Zusammenbruchs auch soziale Strukturen zerfasern?

Unser Blickwinkel ist derzeit zu eng. Man bekommt den Eindruck, die Politik dreht sich nur noch um die Kapazitäten von Krankenhäusern. Das scheint mir ein wenig zu eindimensional und zu kurzfristig gedacht. Das klingt jetzt kalt und menschenverachtend: Wir zerstören gerade eine Zukunft auf Kosten von Menschen ohne Zukunft. Aber es wird höchste Zeit, dass die Politik diese Diskussion führt, um die Bevölkerung auf das vorzubereiten, was vermutlich noch kommt, und Bereitschaft zeigt, weitsichtige und ausgewogene Maßnahmen, die eine Zukunftsperspektive eröffnen, zu ergreifen. Wir brauchen nicht nur Politiker, die den fürsorgenden Landesvater spielen, sondern mutige Entscheider, deren Blick weiter reicht als bis Ostern.

Dr. Udo Kords, Wedel

Zeit für das Grundeinkommen

Wird diese Pandemie zu anhaltenden oder vorübergehenden Änderungen führen, und werden die gedachten Hilfs- und Konjunkturprogramme Erfolg haben? Ich kann mir jetzt nichts Konkreteres, Hilfreicheres und Würdigeres vorstellen als die politisch gewollte Einführung eines (globalen) Grundeinkommens. Es würde die Würde des einzelnen Menschen ernst nehmen und ihm nicht nur ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, sondern auch helfen, die persönliche Kreativität zu entfalten.

Damit wäre dann auch der Gemeinschaft und der Wirtschaft gedient. Nach meiner Meinung bringt das bedingungslose Grundeinkommen für jeden Menschen auf dieser Erde sozialen Frieden und entzieht anderen Drahtziehern den Boden.

Hedwig Oechsler, Rottenburg/Neckar

Ein neuer Gesellschaftsvertrag

In der Corona-Krise treten die sozialen Verwerfungen unserer kapitalistischen Gesellschaft besonders zutage. Autorin Eva Illouz fordert in "Versprechen einer Welt danach" zu Recht einen "neuen Gesellschaftsvertrag". Die katholische Soziallehre mit ihren Prinzipien der Solidarität und des Gemeinwohls fordert dies schon seit Jahrzehnten. Es sei hier nur an die Worte von Papst Johannes Paul II. nach dem Mauerfall 1989 erinnert: "Der Sieg über den Kommunismus bedeutet keine Legitimation des Kapitalismus."

Artur Borst, Tübingen

© SZ vom 01.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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