Weitere Briefe:Zu Suizidgefahren und zum Lügde-Urteil

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Mobbing und Abweisung bei Ämtern können alten Menschen sehr zusetzen und sie in den Tod treiben, so eine Schreiberin. Ein inhaftierter Leser erklärt, was Sicherheitsverwahrung in der Praxis bedeutet.

Mobbing fördert Todessehnsucht

Zu " Dem Tod zu nah" vom 10. September: Die jetzige Generation der Alten und Hochbetagten mit Suizidgedanken ist mit einer App (meist) nicht zu begeistern beziehungsweise gar nicht zu erreichen! Ich bezweifele zudem, dass die Suizidrate in Alten- und Pflegeheimen niedriger ist, als bei den mehrheitlich isoliert, aber (noch) selbständig alleinlebenden alten und betagten Menschen. Beim Dauerblick aufs Smartphone fällt Normalbürgern nur die soziale Isolation, Einsamkeit und Verzweiflung im Alltag nicht so auf und wird von Nachbarn, Ärzten, Hilfskräften bei Kurzbesuchen mangels Empathie und Sachkenntnis meist gar nicht wahr-, also auch nicht ernstgenommen. Zu den suizidfördernden gesundheitspolitischen Versäumnissen gehört auch der weitverbreitete diskriminierende Umgang mit alten, nicht mehr (erwerbs- oder leistungsfähigen Menschen, insbesondere bei Behörden.

Mobbing und Diskriminierung von alten und behinderten Bürgern kann hier durchaus als vorsätzliche Tötungsabsicht gesehen werden. Wer jahrelang ständig schwer verletzende Missachtung und Abwertung auf Grund des Alters (und von Behinderungen) erlebt, immer wieder das absichtliche Verzögern von Sachbearbeitung, Bescheiden (zum Beispiel bei Anträgen auf Hilfe/Hilfsmittel), kann nur die Lust am Weiterleben verlieren.

Annette Gümbel-Rohrbach, München

Vollversorgt in Verwahrung

Zu " Lange Gefängnisstrafen im Fall Lügde" vom 6. September: Wie die SZ berichtete, wurde gegen die zwei pädophilen Angeklagten im Fall Lügde Sicherungsverwahrung im Anschluss an die Strafvollstreckung angeordnet. Was bedeuten das Urteil aber in der Praxis? Erstens folgt hieraus ein privilegierter Strafvollzug, da in Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgericht aus 2011 schon während des Strafvollzuges tunlichst darauf hinzuwirken ist, dass der Antritt der Sicherungsverwahrung entbehrlich wird. Umfängliche therapeutische Angebote werden folglich die nächsten zwölf Jahren den Weg der beiden Täter pflastern, verbunden mit besseren Haftbedingungen als sonst im Strafvollzug üblich. Zweitens werden sie voraussichtlich die Sicherungsverwahrung antreten müssen, denn ein Nicht-Antritt ist die absolute Ausnahme. Dann werden sie doppelt so große Zellen wie im Strafvollzug erwarten, Spielekonsolen, großzügiger Spaziergang im Hof, mehrfach im Jahr auch außerhalb der Haftanstalt, wenn auch bewacht von Gefängnispersonal, und anderes mehr.

Ich selbst muss seit 2013 in einer solchen Anstalt leben. Unter den etwas mehr als 50 Verwahrten finden sich circa 80 Prozent Sexualtäter; aber eben auch Menschen wie ich, der 1996 eine Sparkasse überfallen hatte. Wer, abgesehen von der Freiheitsentziehung selbst, die in unserer Gesellschaft schon beschwerlich genug ist, erwartet, dass auf die nun Verurteilten aus dem Fall Lügde ein harter Alltag zukommen würde, wird enttäuscht sein. Es wird sie ein Vollzugsapparat umsorgen- und dies gegebenenfalls bis zum Tod.

Thomas Meyer-Falk, Freiburg

© SZ vom 17.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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