Weitere Briefe:George und Essen

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Der Dichter Stefan George und sein Freundeskreis beschäftigen einen Leser nicht nur in literaturkritischer Hinsicht. Ein anderer möchte wissen, welches eventuell in den Familien der Täter angelegte Frauenbild die Gruppenvergewaltigungen in Essen mitverursacht hat.

Mehr als nur Neugier

" Der Dichter als Verbrecher" vom 12. Juli: Was Jens Bisky in oben genanntem Artikel zu Leben, Werk und Wirkungsgeschichte Stefan Georges herausstellt, ist sicher interessant und wichtig. Allein, die Bezüge zum Freundes-"Kreis" um George müssten korrigiert werden: Etwas abfällig spricht der Autor von der bloßen "Neugier" des Publikums, wenn es um mögliche Enthüllungen der erotischen Sphäre um George geht. Und der üble Paragraf 175 habe das Ganze in ein schlechtes Licht gerückt. Schließlich heißt es darin, es seien keine "sexuellen Übergriffe Georges belegt". Diese Verharmlosung kann man nicht unwidersprochen lassen. Es geht schließlich ganz oft um Minderjährige, die von George und seinem Kreis bewusst verführt und in ihre erotisch-sexuelle Sphäre einbezogen wurden. Das beginnt schon bei Hofmannsthal, der seinen Vater um Hilfe rufen musste; das geht weiter mit dem erst 14 Jahre alten Maximilian Kronberger, mit Percy Gothein und anderen Jungs, die man zum Beispiel einfach auf der Straße ansprach, wenn sie dem "Meister" gefielen.

Und Belege gibt es doch: Robert von Steigner hat detailliert beschrieben, was mit ihm geschah, als er mit George alleine war (Ulrich Raulff, Kreis ohne Meister, S. 514 f). Das alles ist deshalb nicht unwichtig, weil es in die Kette pädophiler Verfehlungen des 20. Jahrhunderts gehört, die nur allmählich aufgearbeitet werden. Georges "Kreis" war insofern natürlich auch ein Täter- und Verschwiegenheitskreis!

Franz Schrott, Forchheim

Die Rolle des Umfelds

"Vertrauensmissbrauch" über die Gruppenvergewaltigungen in Essen vom 13. Juli: In dem Artikel fehlt mir die entscheidende Frage: Wie kann es dazu kommen, dass diese jungen Männer eine solche frauen- und menschenverachtende Einstellung haben und sie auch noch über lange Zeiträume ausleben konnten? Welche Rolle spielen Familie und soziales Umfeld? Wieder einmal wird die Erziehungsverantwortung der Eltern außen vor gelassen. Warum eigentlich? Außerdem wird kein Wort darüber verloren, wie man solche Verhaltensweisen bekämpfen sollte. Wenn wir hier in Deutschland keine Verhältnisse haben wollen, wie sie über viele, viele Jahre in den britischen Kleinstädten Telford und Rotherham "toleriert" worden sind und auch in Essen, dann muss konsequent dagegen vorgegangen werden.

Lothar Wienhold-Hirsch, Hannover

© SZ vom 23.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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