Weitere Briefe:Frauen und Quelle

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Eine Leserin erregt sich über ein "Plädoyer für die berufstätige Mutter", das kürzlich abgedruckt wurde. Ein anderer Leser erinnert an die unrühmliche Rolle, die Quelle-Gründer Gustav Schickedanz in der NS-Zeit spielte.

Darüber entscheiden die Eltern

In "Plädoyer für die berufstätige Mutter" vom 8. Mai beschränkt sich Yasmin Mei-Yee Weiß leider nicht darauf, Arbeitgeber zu besseren Rahmenbedingungen für berufstätige Mütter und Väter aufzufordern. Aus jeder Zeile ihres "Plädoyers" spricht ihr Unverständnis für Eltern, die sich für ein von ihr frecherweise als veraltet bezeichnetes Familienmodell entscheiden, wobei ihr auch noch ein Seitenhieb gegen Bayern entgleitet. Wer bestimmt eigentlich, welches Familienmodell gelebt werden soll - Weiß, die Politik, die Arbeitgeber? Nein! In unserer freiheitlichen individuellen Gesellschaft entscheidet das jede Mutter, Vater, Familie selbst. Die Autorin konstatiert, dass manche Frauen ein schlechtes Gewissen hätten, wenn sie arbeiteten, und verursacht selbst, durch die Aufzählung angeblicher Notwendigkeiten zu arbeiten, das umgekehrte schlechte Gewissen. Wo in ihren Ausführungen ist eigentlich vom Interesse der Kinder die Rede, nicht nur fremdbestimmt betreut zu werden? Vor allem indem ich meine Kinder nicht nur weggebe, erbringe ich eine wichtige gesamtgesellschaftliche Leistung. Sybille von Massow, Oldenburg

Schickedanz und die NS-Zeit

Gregor Schöllgen zeigt sich in "Warum die Quelle versiegte" vom 4. Mai einmal mehr begeistert von Quelle-Gründer Gustav Schickedanz, der "das Bild des gleichermaßen erfolgreichen und verantwortlichen Unternehmers nachhaltig geprägt" habe. Über die NS-Zeit erfährt man nur, dass Schickedanz in den Dreißigerjahren "eine Reihe von Industriebetrieben übernahm". Die Umstände, unter denen deren jüdische Vorbesitzer um ihr Eigentum gebracht wurden, sind Schöllgen ebenso wenig eine Erwähnung wert wie Schickedanz' Beitritt zur NSDAP schon vor der Machtergreifung und seine politische Verantwortung als NS-Stadtrat in Fürth. Man erfährt auch nicht, dass Quelles "einzigartige Kommunikation mit den Massen" auch darin bestand, dass Schickedanz mit dem Aufruf "Kauft deutsche Ware in dieser deutschen Quelle" auf der Titelseite seines Katalogs sogar den nationalsozialistischen Judenboykott zur Werbung für sein "rein christliches", "arisches" Unternehmen nutzte.

Als die Biografie über Schickedanz erschien, die Schöllgen im Auftrag von dessen Tochter geschrieben hatte, reagierten Historiker auf die beschönigende Darstellung von Schickedanz' Rolle im "Dritten Reich" mit scharfer Kritik. Auch Willi Winkler kritisierte in der SZ Schöllgens "widerstandslose Hofmusik". Ist es die richtige Reaktion, die dunklen Seiten des Erfolges von Schickedanz und Quelle nun gar nicht mehr zu erwähnen? In der Nachkriegszeit wollte man über die Vergangenheit der Helden des Wirtschaftswunders nicht viel wissen. Heute sollten wir weiter sein. Christoph Huber, München

© SZ vom 16.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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