Weitere Briefe:Aus dem Häuschen

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Es ist cool genug, unter dem Dirigenten Kirill Petrenko spielen zu dürfen, meint ein Leser. Extravaganzen müssten junge Musiker nicht liefern. Und: Netflix betreibe das Geschäft der Filmbranche mit anderen Mitteln, analysiert ein anderer.

Aus dem Häuschen

" Ist es das, was wir wollen?" vom 10. Januar: Statt herablassend zu fragen "Ist es das, was wir wollen?", hätte Julia Spinola besser die jungen Orchestermitglieder fragen sollen, was diese denn wollen. Dann hätte sie vielleicht verstanden, warum manch Jugendlicher beim Musizieren nicht unbedingt "den Schmutz der Straße", "Drama" und "Sex" im Sinn hat, sondern es einfach nur ultra-cool findet, schwierigste und abgefahrenste Musik zusammen mit einem berühmten Dirigenten wie Kirill Petrenko in einem der besten Konzertsäle spielen zu können. Und das so tadellos und bewegend, dass das Publikum mit Ausnahme weniger Musikkritiker(innen) aus dem Häuschen war.

Dr. Stefan Mayer, Dinslaken

Wissen, was ankommt

" Das Ende des Flanierens" vom 10. Januar: Adrian Lobe suggeriert in seinem Artikel über den Netflix-Algorithmus, dass bei Netflix Computer Kultur machen. Das bedarf einer Präzisierung. Nicht weil Netflix Rückendeckung bräuchte, sondern weil damit der Mythos von den allmächtigen Algorithmen eher zementiert als kritisch seziert wird.

Netflix tut, was die Filmbranche schon immer tat. Bloß, statt Besucherzahlen wertet der Konzern das Verhalten seiner Abonnenten aus. Auch zielgruppenspezifische Empfehlungen sind keine Erfindung von Netflix. Die Vorfilme im Programmkino waren immer schon andere als jene im Multiplex.

Netflix und die herkömmliche Filmbranche wollen letztlich dasselbe: wissen, welche Filme beim Publikum ankommen. Das ist Marktwirtschaft, und vermutlich war der Kulturbetrieb immer schon marktgerechter und "erwartbarer", als es ihm selbst lieb war. Selbst wenn der Publikumsgeschmack mit Hilfe von automatisierten statistischen Berechnungen ermittelt wird, am Ende entscheiden auch bei Netflix Menschen, welche Filme sie produzieren und welche sie schauen.

Und was die kulturelle Vielfalt betrifft, ist die Bilanz möglicherweise besser als befürchtet: Streamingdienste haben eine so große Reichweite, dass sie es sich leisten können, Filme zu zeigen, die keine Blockbuster sind und in der analogen Welt nur in ein paar ausgewählten Kulturkinos zu sehen wären. Wer lernt, Empfehlungssysteme zu ignorieren, kann durchaus auch "im Digitalen flanieren".

Michael Bürgi, San Francisco/USA

© SZ vom 24.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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