Weitere Briefe:Architektur für den Menschen, Kontrolle fürs Tierwohl

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Wohnraum sollte sich nach Bedürfnissen richten, schreibt eine Leserin, ein anderer plädiert für mehr Kontrolle bei der Fleischverarbeitung.

Bürgerfreundliche Architektur

Zu " UV-Licht im Aufzug allein genügt nicht" vom 26. August: Architektur erzählt nicht nur eine Geschichte der Angst, sondern oft auch generationenlang einschränkende, nicht wohnbare Lebensgeschichten. Seit Pandemieausbruch warte ich darauf, dass Architekten im sogenannten sozialen Wohnungsbau endlich Arbeitszimmer für Home-Office geplagte Erwerbstätige/Eltern einplanen, Balkone nicht nur eine Armlänge vom extrem rauchenden Nachbarn entfernt sind, Mobilitätseingeschränkte im Erdgeschoss wohnen und selbstverständlich alle gemeinschaftlichen Freiflächen/Gärten nutzen können, dass (außer UV- Licht) sich sogar Rollstuhlfahrer im Aufzug bewegen können und Wohnungen bewegungs- und schlechtwettergeeignet sind. Das wäre bürgerfreundliche, zukunfts- und angstfreie Architektur!

Annette Gümbel-Rohrbach, München

Mehr Mut zu Kontrollen

Zu " Schlachthöfe profitierten jahrelang von laxer Kontrolle" vom 18. August: Man könnte längst etwas tun - tatsächlich und rechtlich. Ich habe mich ein ganzes Berufsleben mit Industriezulassungen befasst, zwei Branchen waren besonders anstrengend: die Abfallwirtschaft und die Lebensmittelindustrie, speziell die Fleischerzeugung und -verarbeitung. Die Klagelieder und Appelle nach dem Motto "Jetzt wird in die Hände gespuckt!" haben etwas Gebetsmühlenartiges. Nach jedem Fleisch- und Lebensmittelskandal war das zu hören.

Weitgehend unerwähnt bleibt in der Diskussion, dass die großen Fleischerzeugungs- und -verarbeitungsanlagen eine Errichtungs- und Betriebsgenehmigung brauchen. Darin sind bis ins Detail die Bedingungen für Errichtung und Betrieb festgelegt, auch alles zum Arbeitsschutz. Würde das ordentlich überwacht, könnten Missstände früh erkannt werden. Überwachung der Betriebsbedingungen ist aber zumindest bei bayerischen Behördenchefs gar nicht beliebt, und das wissen natürlich die Mitarbeiter. Das ging so weit, dass selbst die Kosten dafür jahrelang nicht erhoben wurden, obwohl das vom Gesetzgeber verlangt ist. Gegen diese illegitimen Streicheleinheiten ist nicht wirklich vorgegangen worden, auch nicht strafrechtlich.

Noch ein Hinweis auf Gnade vor Recht: Für die großen Fleischerzeugungs- und -verarbeitungsanlagen ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nötig. Das bayerische Umwelt- und Verbraucherschutzministerium hat zu einer Landtagsanfrage über die Praxis der UVP erst im Oktober 2019 berichtet, dass die UVP seit vielen Jahren praktisch nicht erfolgt ist. Im November 2019 hat der EuGH den Blick auf rechtliche Realitäten geschärft und streng geurteilt, dass die UVP zentrales Instrument des europäischen Umweltrechts ist und sich der EuGH selbst von der Rechtskraft nationaler Bescheide nicht abhalten ließ, Genehmigungen aufzuheben, für diejenigen, die sich daran nicht gehalten haben. Ich frage mich, was jene hindert, endlich die Reset-Taste zu drücken, die das Recht hätten: die Umweltverbände. Dann kommt es zum Neustart, und die Verantwortlichen können zeigen, ob sie etwas gelernt haben.

Georg Schmid-Drechsler, München

© SZ vom 03.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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