Wald und Wild:Eine ziemlich verbissene Auseinandersetzung

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Wie SZ-Leser die Debatte zwischen Jägern und Tierschützern sehen.

Wildverbiss, Klimawandel, Forstausbeutung – zentrale Reizworte für Jäger und Tierschützer. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Zu "An die Waffen", mit einem Förster auf der Jagd, vom 16./17. Januar:

Ein allzu bequemer Mythos

Die Fichten - auch die auf meinem Grundstück in Mecklenburg - werden von den Folgen des menschengemachten Klimawandels dahingerafft. Andere Baumarten drohen zu folgen. Hitze und Trockenheit sind die primären Stressursachen, nicht ein Anstieg der angeblich fatalen Gefräßigkeit des Wildes. Das Wild soll nun vor der notwendigen Aufforstung mit alternativen Baumarten weichen. Bei der Lektüre des Artikels drängt sich schon die Frage auf, wie sich der europäische Mischwald - vor und neben seinem kommerziell bedingten Umbau zu Fichtenmonokulturen - Jahrtausende lang trotz Wildfraß erhalten konnte. Alles dank des Schutzes der Jungbäume durch Wolf und jagenden Adel? Wenn die zum ökologischen Umbau des Waldes gesetzten Jungpflanzen geschützt werden müssen, muss man die Schonungen wie früher verdammt nochmal einzäunen! Leckere Tiere zu töten ist natürlich billiger und vergnüglicher ("brät das Reh in der Pfanne braun, wächst der Wald auch ohne Zaun!"). Aber ein weiteres Mal vergeht sich eine faule und gefräßige, allein auf Profit getrimmte Gesellschaft an ihren Mit-Kreaturen.

Die Klage darüber hat mit Bambi-Romantik nichts zu tun. Vielmehr damit, dass wir uns die Entstehung eines Märchens vom Bäume mordenden Wild leisten, das, wie alle politischen Mythen, auf gesellschaftliche Widersprüche und Interessenkonflikte verweist. Diese Konflikte ehrlich, verantwortungsvoll und ethisch verträglich - unter Einbezug des individuellen Rechts wilder Tiere auf Leben - zu lösen ist das Gebot der Stunde.

Gesa Mackenthun, Bad Doberan

Eigenbewirtschaftung

Als Kleinwaldbesitzer und Jäger stimme ich Ihrem Artikel voll zu. Ich möchte jedoch ergänzen, dass das Bundesjagdgesetz für die Wald-Wild-Problematik eine sehr gute Lösung bereit hält. Sie versteckt sich in §10 Abs. 2. Der lautet: "Die Jagdgenossenschaft kann die Jagd für eigene Rechnung durch angestellte Jäger ausüben lassen." Das ist die sogenannte Eigenbewirtschaftung (nicht zu verwechseln mit der "Eigenjagd"). In unserer Jagdgenossenschaft, 30 Kilometer südlich von München, wird das seit etwa 25 Jahren mit großem Erfolg praktiziert.

Während ein Jagd-Pachtvertrag über mindestens neun Jahre läuft und der Inhalt weitgehend gesetzlich vorgegeben ist, ermöglicht die Eigenbewirtschaftung einen größeren Spielraum. Insbesondere ist die Dauer nicht vorgegeben. Bei uns wird das Recht zur Ausübung der Jagd immer nur für ein Jahr bewilligt. Wer die vorgeschriebene Mindestzahl von Rehen nicht erlegt, riskiert, das nächste Jahr nicht mehr dabei zu sein. Wir dürfen auch nicht füttern.

Das Ergebnis ist phänomenal: Als die Jagd noch verpachtet wurde, wuchsen nur Fichten, und sogar von denen waren viele verbissen. Tannen, Buchen und Eichen kamen überhaupt nicht hoch. Seit von der Möglichkeit der Eigenbewirtschaftung Gebrauch gemacht wird, hat sich das völlig geändert. Jetzt haben die Tannen und Buchen die Fichten überholt. Es wachsen sogar seltene Baumarten wie Eiben und Stechpalmen. Erfreulicher Kollateraleffekt ist, dass es bei uns praktisch keine Wildunfälle gibt. Die beiden Bauern, mit denen ich zu tun habe, haben schon seit Jahren keine Kitze mehr zermäht, während das früher regelmäßig passiert ist. Die Waldbesitzer können Tannen, Buchen und so weiter pflanzen, ohne dass es eines Zauns oder sonstigen Verbissschutzes bedarf.

Das klingt alles fast zu schön, um wahr zu sein. Das Problem ist halt, dass die Jagdgenossenschaft, also die Waldbesitzer, etwas Engagement zeigen müssen, denn sie müssen die Jagd selbst organisieren und vor allem einen erfahrenen Jäger finden, der die Aufgabe des nach dem Gesetz erforderlichen angestellten Jägers übernimmt. Unsere Jagdgenossenschaft hat etwas über 3000 Hektar. Die sind in etwa 25 Pirschbezirke unterteilt, in denen dann jeweils ein Jäger unterbeauftragt wird.

Martin Gritschneder, Holzkirchen

Die bösen Pflanzenfresser

Sowohl der Autor wie seine Gesprächspartner lassen den Leser an ihrer Wanderung durch einen dichten Nebel von Vorurteilen, Unwissen und Halbwahrheiten teilhaben. Schon der erste Absatz gibt die Richtung vor: In einem geschlossenen Kiefern-Hochwald sehen Autor und begleitender Förster keine dichte Naturverjüngung. Fazit: Dieser Zustand kann nur durch das böse Treiben wilder Pflanzenfresser verursacht sein. Dabei dürfte es völlig natürlich und gewollt sein, dass ein Kiefernforst wenig forstliche Unterwolle hat. Aber der Autor stellt gleich zu Beginn die Weichen, in denen der Leser denken soll: Rehe mit ihren Schneidezähnen zerstören das wertvolle Waldkleid. Was im Rest des Artikels folgt, ist genauso irreal und faktisch falsch und immer wieder widersprüchlich. Mal soll im sandigen Brandenburg das gleiche wachsen wie im Allgäu. Dann muss gesät und gepflanzt werden, aber trotzdem wird voll auf Naturverjüngung gesetzt. Wo Logik und Wissen fehlen, gedeiht ideologische Glaubensstärke umso besser. Waldbau ist Wirtschaften mit Licht, Boden und Natur. Weder Rehe noch Rotwild zerstören irgendwo in Deutschland Wälder, noch verhindern sie sie. Im Satz "der Wald lässt sich nur mit der Waffe retten!" ist die fachliche Hilflosigkeit und Anmaßung der gegenwärtigen Förstergeneration treffend zusammengefasst. Warum diesem Irrweg in der SZ kritiklos so viel Raum eingeräumt wird, ist mir vollkommen unverständlich.

Dr. Manfred Ziegler, Wiggensbach

Gescheitertes Forstkonzept

Ja ist denn die Süddeutsche von allen guten Geistern verlassen, einem schießwütigen Förster ein solches Forum zu bieten! In missionarischer Art erlöst er im Wald-Wild-Konflikt die von Zweifeln geplagte Öffentlichkeit mit einem total einfachen Lösungsweg. Man sollte immer aufmerksam werden, wenn Menschen glauben, auf jede Differenzierung verzichten zu können. So räumt die gleiche Generation von Förstern gerade die von ihnen noch selbst gepflanzten Fichten als Borkenkäferendprodukt ab, gescheiterter könnten Forstleute beruflich nicht enden. Um einen Schuldigen dafür auszumachen, empfiehlt man "an die Waffen". Ziehen wir also in den Krieg gegen uns anvertraute Kulturgüter, oder wollte der Autor überzeichnen, damit jemand seinen Artikel liest? Er bedient dabei überflüssigerweise alle Klischees zu Förstern und Jägern samt sozialistischer Vergangenheit.

Eine Leitwildart wie das Rotwild zu bewirtschaften, erfordert unter Berücksichtigung der Lebensraumsituation intelligente Konzepte, die den Erhalt der fragmentierten Rotwildpopulationen sichert. Dazu gehört sicher nicht die völlig undifferenzierte, aber propagierte Methode, alles, was man sieht, totzuschießen. Ich empfehle allen Involvierten, in sich zu gehen und es mit Albert Einstein zu halten: "Look deep into nature and you will understand everything better." Vielleicht findet sich neben den interessengesteuerten Beteiligten dann ja jemand, der uneigennützig auch als Anwalt das Wild mit seinen spezifischen Bedürfnissen vertritt.

Dr. forest. Hartmut Wollenhaupt, Spangenberg

Strapazierter Nutzwald

Wir alle sollten uns bemühen, die CO₂-Bilanz hierzulande zu verbessern, und ja: Endlich haben wir erkannt, welch wichtige Rolle der Wald hierbei spielt. Umso mehr erstaunt es, wie unreflektiert hier Forstpolitik wiedergegeben wird. Da der überwiegend als Nutzwald ausgewiesene Wald hierzulande immer noch nach wirtschaftlichen Aspekten bewirtschaftet wird, und hierbei zum Beispiel gerade die klimaresistenten, alten und wirtschaftlich gut zu vermarktenden Buchen flächendeckend - als würden sie in zehn Jahren wieder nachwachsen - nahezu vollständig abgeerntet wurden, wird jetzt das Schalenwild dafür an den Pranger gestellt, dass der deutsche Wald so zu leiden hat. Die Verbissproblematik ist nicht zu leugnen. Aber auch der Klimaschutz gibt uns keine Legitimation, Wildpopulationen mit Drückjagden so zu dezimieren, dass diese wie etwa der Feldhase auf die Rote Liste der bedrohten Tierarten geraten.

Die den Wald rettenden Forstjäger dann auch noch mit Sanitätern zu vergleichen, setzt diesem Artikel die Krone auf.

Dr. med. Andreas Strack, Darmstadt

Jungwald einzäunen

Schutzmaßnahmen wie das Einzäunen des Jungwaldes werden im Beitrag als unwirtschaftlich dargestellt, indem man unterstellt, dass die Reviergesamtfläche von 1750 Hektar vollständig einzuzäunen wäre. Wer den Altersaufbau eines Waldes kennt, der weiß dass der Anteil des Jungwaldes bei circa 20 Prozent liegt.

Dass Herr Pommer alles schießt, was er sieht überrascht nicht. Waidgerechte Jagd, die wildbiologische Notwendigkeit einer artgerechten Altersstruktur und die Notwendigkeit, Jagddruck zu minimieren, um Wildschäden zu vermeiden, scheinen für ihn Fremdworte zu sein.

Einen besonderen Bärendienst erweist der Autor dem Förster Pommer übrigens, als er berichtet, dass jener sein Gewehr im Auto lade. Wie heißt es doch in den Unfallverhütungsvorschriften der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft: "Schusswaffen dürfen nur während der tatsächlichen Jagdausübung geladen sein". Oder findet bei Herrn Pommer die Jagd auch aus dem Auto statt?

Bertram Sprenger, Steinhöring

© SZ vom 02.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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