Wahlrecht mit 16:Für jedes Alter eine politische Agenda

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Entspricht es der Reife der Jugendlichen heute, früher das Wahlrecht zu bekommen? Oder nutzen hier Parteien eine Mode, um ihre Themen mit jungen Wählerstimmen zu stärken? Leser sind sich uneins.

Wie alt sollen Erstwählerinnen und -wähler bei der Stimmabgabe mindestens sein? Vor 50 Jahren wurde schon einmal das Wahlalter in Deutschland gesenkt: Damals von 21 auf 18 Jahre. (Foto: dpa)

Zu " Vernunft der Jugend" und " Reif und gut zu beraten", beide vom 31. Juli sowie zu " Prantls Blick: Wählen ab 16?", seit 26. Juli auf SZ.de:

Junge müssen das Klima retten

Als Ü60 frage ich mich, woher die über 18-Jährigen die Überheblichkeit nehmen, den U18 das aktive und das passive Wahlrecht auf allen Ebenen verweigern zu wollen. Die Ü18 waren es doch, die mit ihren (noch dazu über die Jahre wechselnden) etwa 2500 Abgeordneten in Bund und Ländern, ihren mehr als 700 Abgeordneten in der EU und auch sonst zahllosen mit echten Doktortiteln und sogar Professuren ausgezeichneten Würdenträgern zwar die Bundesrepublik nach dem Krieg wirtschaftlich aufgebaut, aber auch über die Jahre zunehmend in einem Massaker an der Umwelt und dem Klima beide wider besseres Wissen und aus niedrigen Beweggründen, auch der Habgier, zu Grunde gerichtet haben.

Ein Leben ohne exzessiven Luxus ist auch innerhalb der Gesetzmäßigkeiten der Natur möglich! Wenn wir als Menschheit überleben wollen, werden wir uns diese Einsicht eingestehen und danach handeln müssen - ab sofort! Das aktive und passive Wahlalter 16 würde diesen Weg tendenziell (hoffentlich) unterstützen, denn zweifellos wird die junge Generation länger von Klima- und Umweltproblemen betroffen, als wir Älteren es noch sein werden.

Manfred Bauer, München

Warum nicht gleich mit 14?

Rot-Rot-Grün fordert nun das aktive und passive Wahlrecht auch bei Bundestagswahlen für 16-Jährige, nachdem die drei Parteien erfahren haben, dass 16/17-Jährige aus bildungsnahen Familien gerne rot-rot-grün wählen würden. Warum sollte man dann das Wahlrecht nicht auch für 14-Jährige einführen, zumal noch bis in die Fünfzigerjahre viele schon mit 14 Jahren angefangen haben zu arbeiten.

Rolf Schikorr, Berlin

Wahlalter freigeben

Wählen erst ab 18 bedeutet ja, bei einer Wahlperiode von vier Jahren, im Schnitt auch erst ein Wahlalter von 20 Jahren. Und bis dann grundlegende Politik umgesetzt wird und Wirksamkeit bekommt, vergeht dann meist auch noch eine Weile. Also ist es nicht verkehrt, zu sagen, dass die neuen Einwohner eines jeden Landes im Schnitt erst nach rund 25 Jahren des Lebens erstmals eine Auswirkung von der eigenen Wahl einer Partei erleben können - und auch das nur mit Glück. Ich stimme daher voll und ganz dafür, dass man das aktive Wahlrecht an kein Alter binden sollte - und darf. Die Regel ist einfach: Wer den Stift auf das Papier setzen kann, darf wählen. Also nur die selbst durchgeführte Wahl ist zulässig - das Wahlgeheimnis soll hier schon gelten! Als Wahlhelfer weiß ich, dass es auch bei Erwachsenen nicht immer gelingt, nur ein Kreuz zu machen.

Wo wäre das Problem bei der Freigabe des Wahlalters? Im schlimmsten Fall gibt es ein paar Prozent mehr ungültige Stimmen - und im besten Fall gibt es Parteien, die sich Gedanken darüber machen, was sie dieser neuen Wählergruppe denn so anzubieten haben an Zukunftsthemen. Ersteres ist höchst unwahrscheinlich, denn die meisten Kinder haben durchaus eine klare Vorstellung von dem, was sie wollen, Letzteres aber höchst wünschenswert. Das Wettbieten im Verteilen von Rentenerhöhungen hätte dann mehr Bremse. Ich fände das sehr gut!

Olaf Schilgen, Schandelah

Erst nach der Ausbildung

Ich werde im August 80 Jahre alt und kann mich erinnern, dass ich mit 18 Jahren sogar einmal die kommunistische Partei (DFU) unterstützte, weil ein guter Bekannter mich darum bat. Ich wurde zu Hause konservativ erzogen und hatte kaum Ahnung von Parteien. Die linken Parteien möchten das schon immer ausnutzen! Nach meiner Meinung sollten junge Leute frühestens mit 21 wählen, da haben sie die Ausbildung hinter sich und schon etwas geleistet.

Wolfgang Meyer, Memmingen

Es soll so bleiben, wie es ist

Eine Gruppe, die gerade von den langfristigen Auswirkungen der Politik besonders betroffen ist, sollte auch das Recht haben, deren Inhalte zu beeinflussen. Klingt logisch. Aber ist Franziska Giffey dann auch dafür, dass 16-Jährige alle anderen Rechte Volljähriger bekommen sollen, zum Beispiel alleine Auto fahren oder Schnaps kaufen? Wahrscheinlich würde sie sagen, dass man Jugendliche schon noch ein wenig davor schützen muss, allzu leichtsinnig ihren Impulsen nachzugeben.

Obwohl ich gar nicht befürchte, dass durchschnittliche Jugendliche weniger vernünftig wählen würden als Volljährige, schiene es mir doch schon allein aus Gründen der Symbolik problematisch, wenn wir das Wählen weniger ernster nähmen als das Schnapskaufen.

Der Tag, an dem man achtzehn Jahre alt wird und die volle persönliche Autonomie erlangt, ist ein großer Tag. Dass man am selben Tag auch ein vollverantwortlicher Staatsbürger wird, unterstreicht den Bedeutungszusammenhang. Von mir aus sollte das auch genau so bleiben.

Axel Lehmann, München

© SZ vom 06.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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