VW-Musterklage:Eine neue rechtliche Dimension

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Moralisch hat VW bereits verloren, findet ein Leser, unabhängig vom Ausgang des Prozesses zur Feststellungsklage. Auch die Strafprozesse gegen Manager schädigen das VW-Image.

Zu " Die Karre fährt doch" vom 1. Oktober und zu " Die große Abrechnung" vom 30. September:

Ganz gleich, wie der VW-Prozess ausgehen wird, der Autokonzern hat, insbesondere gegenüber seinen Kunden in Deutschland, moralisch bereits den Offenbarungseid geleistet. Diesen hanebüchenen Vorgang sollte man daher nicht nur juristisch und wirtschaftlich aufarbeiten, sondern auch von seiner durchaus gesellschaftlichen Wirkung her betrachten.

Wer also das Vertrauen von Geschäftspartnern und Kunden über lange Zeit gezielt missbraucht, ökonomisch wie ökologisch, sollte dafür die nachhaltige Verantwortung übernehmen müssen, an der es beim originären Handel und bei einer transparenten Aufklärung bisher eklatant gefehlt hat. Nicht zuletzt dem Braunschweiger Oberlandesgericht ist es nun bei dem Verfahren zur sogenannten Musterfeststellungsklage überlassen, eine ökosoziale Marktwirtschaft zu definieren.

Matthias Bartsch, Lichtenau

Hervorragend und umfassend ist der Artikel "Die große Abrechnung" von Herrn Balser, Herrn Hägler und Frau Slavik. 440 000 VW-Kunden klagen und möchten Schadenersatz von Volkswagen durchsetzen.

Das Verhalten der klagenden Dieselfahrer und -fahrerinnen verstehe ich nicht. Es ist meines Erachtens unerträglich scheinheilig. Auch wenn die Dieselfahrer vor dem Bekanntwerden der Abgasmanipulationen die auf der Straße entstehenden realistischen Klimagas-/Giftgas-Werte gekannt hätten, dann hätten sie deshalb sicher nicht ihr Kaufverhalten sowie ihr Fahrverhalten mit dem Privatauto verändert. Sollte ein Autokäufer wirklich die Wahl des Autos von der Menge der Klimagas-/Giftgas-Emissionen abhängig gemacht haben - was in Einzelfällen denkbar ist -, dann wäre die Kaufentscheidung meines Erachtens gleich geblieben, da wahrscheinlich alle anderen Autohersteller auch nicht die auf der Straße tatsächlich entstehenden Schadstoffemissionen in den Fahrzeugbeschreibungen angegeben hatten.

Volker Freiesleben, Köln

Diese unendliche Geschichte wird VW letztlich nicht gewinnen. Der amerikanische Wirtschaftsanwalt Michael Hausfeld nannte Volkswagen bereits 2016 dumm und arrogant. Beide Aussagen stimmen.

Die von VW-Chef Diess und Co. ausgedachte Strategie - die "Abgas-Problematik" aussitzen zu wollen - ist nur auf den ersten schnellen Blick klug. Klug ist diese Strategie bei Lichte betrachtet aber beileibe nicht, denn erstens ist VW seit 2015 nicht aus den negativen Schlagzeilen herausgekommen. Auch die rechtliche Einschätzung - VW ist kein Vertragspartner; der Autohändler war ahnungslos, beide brauchen also nichts zu zahlen - wird spätestens beim Urteilsspruch des Bundesgerichtshofs nicht mehr zu halten sein. Was dann?

VW sollte die Wut der betroffenen Kunden nicht unterschätzen. Was passiert, wenn diese Wut in Gewalt gegen VW und die Händler mündet? Beispiele wie die Gelbwesten gibt es ja.

Zweitens: Die betrogenen Kunden kommen nicht wieder. Angesichts des Wandels und der unsicheren Aussichten, der sich abzeichnenden weltweiten Wirtschaftskrise, steht der Volkswagen-Konzern auf wackeligen Beinen. Größe ist bei der Thematik auch nicht sonderlich hilfreich.

Die Strafprozesse gegen die Manager Winterkorn, Stadler und Co., insbesondere Aussagen darüber, wer was genau wann vom Betrug wusste, verbessern das Image von Volkswagen bestimmt nicht. Die Wolfsburger gehen sehr schweren Zeiten entgegen, der Konzern wird sicher noch viel Lehrgeld bezahlen müssen.

Norbert Helfen, Losheim am See

© SZ vom 08.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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