Unionsstreit:Wenn Grenzen überschritten werden

Lesezeit: 5 min

Leserinnen und Leser beteiligen sich in großer Zahl an der Diskussion über den Unionsstreit zum Asyl. Die allermeisten halten die Argumentation der CSU für falsch. Aber es gibt auch Leser, die sich von der Kanzlerin ein Einsehen wünschen.

Wie geht es weiter in der Flüchtlingsfrage? Schild in der Landeserstaufnahme für Asylbewerber in Karlsruhe (Foto: Uli Deck/dpa)

" Das schwarze Loch" vom 25. Juni, "Für Merkel tickt die Uhr", " Lega Süd" und " Dreister Rechtsbruch" vom 23./24. Juni sowie "Großes Theater - kleine Politik" vom 21. Juni:

Grundgesetz vor die Tür gestellt

"Deutsches Recht muss gelten", ruft Bayerns Ministerpräsident Markus Söder laut SZ vom 25. Juni. Selbstverständlich - sollte man meinen; und erst recht gilt unsere Verfassung, das Grundgesetz Deutschlands. Genau diese stellen gleichzeitig Horst Seehofer als CSU-Vorsitzender und Innenminister des Bundes in Berlin sowie Markus Söder als Ministerpräsident in Bayern vor die Tür. Dort stehen sie nun, die Richtlinienkompetenz der Bundeskanzlerin (Artikel 65 Grundgesetz) und das Asylrecht (Art. 16a GG). Sind das noch "Schmutzeleien"? Das Asylrecht zu killen und die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin außer Gefecht zu setzen? Betreiben die beiden Herren Vorbereitungen zum Hochverrat? Oder ist es an der Zeit, die bayerische Staatsregierung, also "das Land im Wege des Bundeszwanges zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten" (Art. 37 Grundgesetz)?

Dr. Peter Knoch, München

Schengen ist so gut wie tot

Thomas Kirchner empört sich in "Dreister Rechtsbruch" über den potenziellen Rechtsbruch, die Pläne von Horst Seehofer, unter anderem registrierte Migranten an deutschen Grenzen abzuweisen. Dies sei der Todesstoß für Schengen. Mag sein. Diese Konsequenz ist allerdings für die Frage der Rechtmäßigkeit irrelevant. Übrigens ist Schengen wegen andauernden Rechtsbruchs bestimmter Länder schon so gut wie tot; auch deshalb die Probleme. Die zurückhaltende Art, mit der der Autor eine scheinbar unvermeidliche Retourkutsche Italiens durchgehen ließe, dann die Migranten wieder ohne jede Registrierung nach Deutschland zu schicken, zeigt die generell verrutschte Sicht der Dinge, wenn es um Migranten geht. Durchwinken verstößt definitiv gegen EU-Recht und ist - schlimmer - der Weg in die Anarchie. Die selektive Anschauung der Probleme, ebenso von Verantwortung und Tun und deren Beurteilung nach zweierlei Maß, wird letztlich die EU sprengen - und Europa retten.

Meinolf Wiesehöfer, Soest

Mit den Grünen

Die Bundeskanzlerin wird mit Markus Söders CSU keine Freude mehr haben, unabhängig vom Ausgang der Landtagswahl. Sie sollte die Koalition mit der CSU beenden und eine neue Koalition mit der SPD und den Grünen beginnen. Schwarz-Rot-Grün - das könnte eine neue Dimension bedeuten und eine Politik ermöglichen, die mit der jetzigen Koalition nicht mehr gelingen wird.

Christian Stubbe, Wiesloch

Andere Themen setzen

Man kann Heribert Prantl nur zustimmen, wenn er das Missverhältnis beklagt, welches zwischen dem eigentlichen Gehalt des Regierungshandelns und seiner öffentlichen Wahrnehmung besteht. Letztere wird dominiert von der Auseinandersetzung um die Flüchtlingsproblematik, während die stattfindende Bewältigung der mindestens genauso drängenden gesellschaftspolitischen Aufgabenstellungen kaum Erwähnung findet.

Allerdings müssen sich Prantl und seine Kollegen fragen lassen, ob sie nicht für die Schieflage der öffentlichen Wahrnehmung mitverantwortlich sind. Warum eine ganze "Seite Drei" über das substanzlose Irrlichtern von Markus Söder durch Bierzelte und über Bauernhöfe und nicht zum Beispiel darüber, wie die neue Brückenteilzeit Menschen ganz konkret hilft, ihr Leben besser zu gestalten? Ist das andauernde gegenseitige Beharken von CDU und CSU so bedeutend, um in der SZ zum Teil auf die Stunde genau protokolliert zu werden?

Hartmuth Petzold, München

Beratungsresistente Kanzlerin

Das abrupte Hineingrätschen der Kanzlerin in die Präsentation des Masterplans von Innenminister Horst Seehofer war schlicht ein grobes politisches Foul, das nicht nur der CSU, sondern auch der CDU schaden wird. Es zeigt dem Wahlbürger wieder einmal: Die Kanzlerin ist bei der Migrationspolitik - wie anno 2015 - beratungsresistent und die CDU-Bundestagsfraktion hierbei lediglich Zuschauer auf dem Berliner Spielfeld. Die Wahlen in Bayern und Hessen werden der Union neue Niederlagen bescheren, wenn sie jetzt nicht konkret und entschieden handelt.

Angela Merkel wird es niemals mehr schaffen, die EU bei der Migration auf ihre Linie zu bringen, die meisten Länder haben es satt, sich hier weiter gängeln zu lassen. Die strikten Anti-Migrationskonzepte von Polen, Ungarn, Slowenien, Slowakei, Österreich und jetzt auch Italien lassen, bis auf eine Stärkung der Außengrenzen, keine weitergehende Einigung mehr zu. Ob Griechenland und Bulgarien überhaupt zu einer lückenlosen Grenzsicherung in der Lage und willens sind, ist bekanntlich mehr als fraglich.

Friedrich Herzer, Mainz

Scheinheilig und gnadenlos

Horst Seehofer und Markus Söder haben weder ein Scham- noch ein Verantwortungsgefühl. Söder hängt medienwirksam und scheinheilig ein Kreuz auf, gleichzeitig geht er mit Seehofer gnadenlos gegen Flüchtlinge vor, nur um am rechten Rand AfD-Wähler zu fischen. Die Herrn sollten baldmöglichst das C aus ihrem Parteilogo montieren lassen, denn ist es christlich, hilfesuchende und notleidende Menschen an der Grenze zurück in ihr Elend zu stoßen, zumal die Flüchtlinge aus Ländern kommen, die durch unsere Freihandelsabkommen ausgebeutet werden, oder aus Kriegsgebieten, die mit deutschen Waffen beliefert werden? Statt ihrer überflüssigen, widerwärtigen Provokationen sollten sie besser an einem vernünftigen Einwanderungsgesetz mitarbeiten. Das würde vielleicht mehr Wähler zu ihren Gunsten an die Urnen bringen.

Gertrud Winter, München

Nerven behalten

Die Überschrift "Für Merkel tickt die Uhr" ist tragisch, denn sie sollte lauten: "Für Seehofer tickt die Uhr." Oder wollen wir in Bayern und Deutschland eine Art Salvini-Regierung wie in Italien? Ich hoffe, dass die Kanzlerin so viel Charakter und Nerven (und Rückhalt der CDU) hat, um sich gegen rechtslastige Populisten durchzusetzen. Die, leider, schweigende Mehrheit der Bevölkerung wird ihr dankbar sein. Eine CSU als schlechte Kopie der AfD ist wohl nicht nötig.

Marcello Raile, München

Wahlkampf oder Comedy?

Als 2015 die ersten Migranten in großer Zahl nach Deutschland kamen, hat die CSU als Koalitionspartner die offenen Grenzen mitverantwortet, nicht Kanzlerin Angela Merkel allein. Die CSU hätte die Koalition jederzeit verlassen können - hat sie aber nicht! Im aktuellen Koalitionsvertrag wurden sogar jährlich weitere 220 000 Migranten eingeladen ,nach Deutschland zu kommen, und diesen Vertrag hat auch Horst Seehofer für die CSU unterschrieben. Dieselbe CSU hat nun festgestellt, dass in Bayern bald Landtagswahl ist, und will sich jetzt als eine Art AfD für Besserverdiener positionieren, um am rechten Rand die Mehrheit zu verteidigen. Ist das noch Wahlkampf oder schon Comedy?

Peter Lichtenstern, Thierhaupten

Letztes Gefecht der Merkelianer

Die letzten Merkelianer blasen noch einmal zum letzten Gefecht - aber sie werden scheitern. Zu offensichtlich ist, dass eine breite Mehrheit der Bevölkerung diesen von Merkel eingeschlagenen Weg nicht mehr mitgeht. Die CSU wird - daher ist der Vergleich zu Kreuth völlig deplatziert -, wenn es sein muss, bundesweit von der falschen Politik der CDU eher profitieren. Das vorhergesagte Scheitern ist eher ein Wunschtraum, ein Blick in unsere Nachbarländer verdeutlicht das. Warum eine Minderheit das immer noch nicht wahrnehmen möchte, bleibt ihr Geheimnis.

Jan-Patrick Jarosch, München

Das hilft der AfD am meisten

Wie will der Innenminister eigentlich seine Zurückweisungen an der Grenze in der Praxis durchführen? Wie viele Polizisten werden dafür alleine an den bayerischen Grenzen benötigt? Wo fehlen diese Beamten dann, zum Beispiel an den Bahnhöfen, an den Flughäfen? Wie lange werden die Staus und Wartezeiten bei der Einreise sein? Wie viel kostet das die Speditionsunternehmen? Und, vor allem: Wohin will er denn die Zurückgewiesenen schicken? Nach Österreich oder Italien? Der Eindruck ist doch: Gerade diese beiden Länder werden auf keinen Fall Geflüchtete zurücknehmen. Alle diese Fragen zeigen große Hindernisse bei der Umsetzung der nur scheinbar so einfachen Idee "zurückzuweisen". Und sie zeigen, wie weit Seehofer, Dobrindt und Söder schon im Lager der Populisten angekommen sind. Gleichzeitig werden Hass und Ausgrenzung immer noch hoffähiger gemacht. Glückwunsch, CSU: Diese Partei hilft gerade der AfD am meisten. Endet das in Bayern in der ersten Koalition von CSU und AfD? Zu befürchten ist es.

Bärbel und Wolfgang Höckh, Berlin

© SZ vom 28.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: