Türme:Wasserturm Pirach, Trostberg

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Der ehemalige Wasserturm Pirach ist über viele Kilometer sichtbar. (Foto: Manuel Hollenbach / Brüderl Manufaktur)

Von Evelyn Pschak

Rund 250 000 Liter fasste der Turmbehälter des 1959 in Betrieb genommenen Wasserturms im oberbayerischen Weiler Pirach nahe Trostberg. So sicherte das Betriebsbauwerk bis Ende der 60er-Jahre die Wasserversorgung der umliegenden Dörfer. Schorsch Brüderl, wenige Kilometer entfernt in Sankt Georgen geboren, erinnert sich an einen Klassenausflug zum Wasserturm in dessen letzten aktiven Jahren: "Da war ich etwa acht Jahre alt. Es war für uns ein Riesenbauwerk, als wir davor standen."

Unübersehbar ist der Turm bis heute. Kommt man von Süden her, von Traunstein, ist seine 28 Meter hohe zylindrische Silhouette bereits über viele Kilometer sichtbar. Der stete Blick auf das lokale Wahrzeichen hat auch den Architekten geprägt. Und so greift Schorsch Brüderl zu, als der Turm im Jahr 2014 in einer öffentlichen Ausschreibung zum Verkauf steht. Zu dem Zeitpunkt habe er noch gar nicht genau gewusst, was er damit tun könnte, erinnert sich der Seniorchef der Brüderl-Gruppe, einem auf Architektur und Inneneinrichtung mit Maßeinbauten aus eigener Manufaktur spezialisierten Unternehmen. Nur eine Bedingung habe er sich selbst von Anfang an gestellt: "Der Charakter des Wasserturms sollte nicht verloren gehen."

So richtig glatt läuft das Revitalisierungsprojekt zu Beginn nicht. Durch die Klage eines Nachbarn wurden die Umbauideen zunächst einmal vier Jahre lang vor dem Verwaltungsgericht München diskutiert. Und auch danach, mit einer neuen Baugenehmigung, blieb Brüderl nach all den Jahren des Leerstands an seinem Turm einiges zu tun. Der dem Wetter ausgesetzte Bau musste zunächst auf den Rohbauzustand zurückgebaut, sämtliche Innenwände demontiert und neu eingezogen werden. Auch die bescheidene Befensterung wurde bei der Sanierung durch einen südlich vorangestellten Anbau mit karbonisierter Holzfassade und großformatigen Glasflächen aufgestockt. Die offensichtlichste Sanierungsmaßnahme besteht aber in der zur Hinterlüftung vorgehängten, rund 1000 Quadratmeter umfassenden Metallfassade, die in silberfarbenen Segmenten der Rundung folgt. Durch diese Verkleidung mit pulverbeschichteten Stahlblech-Paneelen, je 70 Zentimeter breit, 1,60 Meter lang und ringförmig angeordnet, erweckt der Turm im Licht- und Schattenspiel aus der Ferne den Eindruck, er drehte sich himmelwärts, ganz wie es einem Turm gebührt.

Heute werden die unteren drei Ebenen des Rundbaus als Wohnraum von einem der Söhne von Brüderl genutzt, der sein Zuhause auch als Showroom für Kunden öffnet. Und für ein Ferienapartment, nach dem Seniorchef "Schorsch" benannt, das seit 2019 Platz für bis zu vier Gäste bietet und ebenfalls mit Maßeinbauten aus der Brüderl-Manufaktur bestückt wurde. Die darüber liegenden weiteren vier Geschosse werden inzwischen als Event- und Ausstellungsräume der Firma genutzt. Und für den 360-Grad-Ausblick vom obersten Stockwerk aus, wo man durch hohe Fenster auf das landwirtschaftlich geprägte Chiemgau blickt, auf die Alpenkette im Süden oder das Kloster Baumburg im Norden.

Wirtschaftlich könne man die Neunutzung aber vergessen, schmunzelt der Bauherr: "Es ist ein Liebhaberstück." Ein Riesenbauwerk eben - auch wenn man längst nicht mehr acht Jahre alt ist. www.wasserturm-pirach.de

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