Tierwohl:Quälen für Überfluss?

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Die industriell geprägte Landwirtschaft ist auf Effizienz und Profit getrimmt. Eine SZ-Recherche hat aufgezeigt, wie Tiere darunter leiden können. Der Übergang zu Missbrauch erscheint fließend. Aber darf man menschliche Maßstäbe anlegen?

Bei der Nutztierhaltung geht es nicht immer zimperlich zu: eine Kuh, festgebunden zur routinemäßigen Klauenpflege. (Foto: imago/Frank Sorge)

Zu " Bis zum Umfallen", 9./10. November:

Missstände schnell beseitigen

Die SZ schreibt ausführlich, wie in Deutschland mit den Nutztieren, insbesondere Kühen, umgegangen wird. Mir ist dabei bewusst geworden, in welchem Unrechtsstaat ich lebe, denn Tiere sind unsere Mitgeschöpfe und dürfen nicht, wie in der konventionellen Massentierhaltung üblich, als reine Produktionsmittel behandelt werden. Was hier abgeht, stinkt zum Himmel. Alles was im Grundgesetz über die Tierhaltung steht, ist in der Praxis Makulatur. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben sind konventionelle Landwirte genötigt, Tiere gegen deren natürlichen Bedürfnisse zu halten (Ansonsten sind sie nicht wettbewerbsfähig.). Ich kann nur alle Politiker bitten, dafür zu sorgen, dass die Missstände gesetzlich verboten und die Rahmenbedingungen für eine wirklich artgerechte Tierhaltung geschaffen werden. Von Mahatma Gandhi stammt das Zitat: "Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie die Tiere behandelt."

Gerhard Schlammer, Füssen

Nur der Profit zählt

Schon lange sind uns die Missstände in der Kuh- und Kalbhaltung bekannt. Früher (vor ca. 30 Jahren) sind wir vor einem Stall immer stehen geblieben, um die Tiere anschauen und berühren zu können. Das tun wir schon lange nicht mehr, weil wir die von der SZ beschriebenen Misshandlungen selber gesehen und erfahren haben. Es ist eine Schande, dass in Deutschland der Tierschutz nur ein Stück Papier ist, niemand kümmert sich um die Einhaltung der Gesetze. Während man in der Geflügelhaltung durch die zwingenden Datenangaben auf den Eiern bereits ein Minimum erreicht hat, ist das kurze, unglückliche, qualvolle Leben der großen "Nutztiere" wie Rinder und Pferde noch immer ein Tabu.

Obwohl man an jeder Ecke sehen kann, dass Herdentiere ihr ganzes Leben stehend im Stall verbringen müssen, Pferde in Alleinhaltung in Boxen, Kälber vom ersten Tag alleine in einer Kunststoffbox. Kühe, die seit Generationen kein Kalb aufziehen können und trotzdem noch voller Muttergefühle sind. Und die EU hat die Missstände durch Förderungen noch verschlimmert. Niemand ist zuständig, nur der Profit zählt. Wozu braucht Deutschland 4,2 Millionen Kühe, wenn Milch und Milchprodukte im Überfluss da und sehr oft unverkäuflich sind. Vor einiger Zeit haben Landwirte geäußert, dass unter 500 (!) Kühen die Milchwirtschaft unrentabel sei.

Viele Tierärzte machen schweigend alles mit, ansonsten verlieren sie "Kunden". Jeder Tierarzt und Klauenpfleger müsste zwingend die selber erfahrenen tierquälerischen Handlungen in den Ställen an das Veterinäramt melden. Es ist so wie mit den Tiertransporten; es geschieht gar nichts. Wir hoffen, dass der Artikel im Bayerischen Landwirtschaftsministerium gelesen wurde und jemand sich angesprochen fühlt.

Dipl.-Ing. Fritz J. Kaubek, Gauting

Rinderzüchter kümmern sich

Die Rinderzucht mit Qualzucht in Verbindung zu bringen und hierfür aus meiner Sicht die bayerische Rinderhaltung heranzuziehen, ist doch sehr mutig. Die meist verbreitete Rasse in Bayern ist die Rasse Fleckvieh, und diese ist per Definition eine Zweinutzungsrasse, deren männliche Nachkommen sich aufgrund der herausragenden Masteigenschaften großer Beliebtheit erfreuen. Zudem wurden bei allen wesentlichen Rassen Mitteleuropas in den 90er-Jahren Gesamtzuchtwerte als züchterische Instrumente eingeführt. Diese dienen dem Landwirt dazu, zu entscheiden, welche Kühe er mit welchen Bullen anpaaren will.

In fast allen Ländern beinhalten die Gesamtzuchtwerte neben den spezifischen Leistungseigenschaften vor allem sogenannte funktionale Merkmale wie Fruchtbarkeit, Eutergesundheit und Nutzungsdauer zu sehr hohen Bestandteilen. Somit wird in der Regel die Hälfte des züchterischen Gewichtes inzwischen auf diese Merkmale gelegt. Für die Rasse Holstein wurde zudem im April 2019 bereits ein Gesundheitszuchtwert eingeführt, der die Bestandteile Reproduktion, Stoffwechsel, Eutergesundheit und Klauengesundheit umfasst. Hierfür erfassen die Landwirte freiwillig und vollständig Gesundheitsdaten ihrer Kühe. Somit sind die Rinderzüchter bereits seit Jahrzehnten dabei, im Rahmen der züchterischen Möglichkeiten an der Gesundheit der Tiere zu arbeiten. Die verwendeten Bilder erwecken zudem den Eindruck, als ob bereits bei Routinepflegemaßnahmen, wie dem Klauenschnitt, Tierquälerei vonstatten geht. Das ist unseriös.

Übrigens, sie können ein Tier verbrennen oder zu Tiermehl verarbeiten, aber nicht beides gleichzeitig. Die Statistik des Lobby-Verbandes zeigt zudem, dass die Lebensleistung aller Tiere in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat, und die Lebensdauer in Tagen nicht mehr rückläufig ist. Außerdem weisen alle Rassen einen deutlich positiven genetischen Trend in der Nutzungsdauer auf. Somit zeigt das züchterische Engagement der letzten 20 Jahre deutliche Erfolge.

Dr. Alfred Weidele, Geschäftsführer Rinderunion Baden-Württ., Wolfegg-Roßberg

Der Milchpreis muss steigen

Um das Tierwohl der Milchkühe, wie wohl aller Nutztiere in der mehr und mehr industriellen Massentierhaltung, steht es schlecht. Die Politik, an der Spitze Agrarministerin Klöckner, schaut tatenlos zu und macht sich damit mitschuldig am systematischen Verstoß gegen die Tierschutzregeln. Solange die heilige Kuh der billigen Milchpreise/Agrarpreise nicht geschlachtet wird, die der Hauptgrund dafür ist, dass Landwirte so produzieren, wie sie es tun - auf Kosten der Nutztiere und der Natur -, wird sich nichts ändern. Der Beirat beim Agrarministerium sagte es ja schon deutlich genug: Die Tierhaltung ist nicht zukunftsfähig.

Stefan Kaisers, Gießen

Subventionierung beenden

Die hervorragende Recherche von Frau Langhans über das qualvolle Leben und Sterben einer Milchkuh sollte Pflichtlektüre für die Verantwortlichen in der Politik sein! Dass diese Tierquälerei schon seit viel zu langer Zeit hingenommen wird, ist in erster Linie den mir unverständlichen Gesetzen der Agrarpolitik zuzuschreiben. Ich hoffe aber ebenso, dass dieser Bericht auch uns Verbraucher zwingt, achtsam und sparsam mit Lebensmitteln aus der Tierhaltung umzugehen. Kleine landwirtschaftliche Betriebe, die auf artgerechte Tierhaltung achten, hätten dadurch die Unterstützung, die sie dringend benötigen. Weg mit den Subventionen für Großbetriebe und eine anständige Preisgestaltung für die Milch!

Sibylle Paulus, München

Gute Tierhaltung ist Management

Der Bericht betrachtet in einigen Passagen das Thema sehr differenziert. In anderen Teilen werden meines Erachtens unsachliche Ausdrücke gewählt, womit das Leiden der Kühe wohl unterstrichen werden soll. Ich bin selber Landwirtin. Auch ich musste mich an den robusten Umgang mit den Tieren erst gewöhnen. Kühe haben allerdings ein ganz anderes Schmerzempfinden als zum Beispiel Pferde. Auch der Umgang untereinander ist nicht gerade zimperlich. Der Landwirt ist mitnichten ein Tierquäler. Auch wenn er "die Kuh einmal im Jahr schwängert" (wie das auch bei Zuchtpferden der Fall ist) und das Kalb "nach wenigen Stunden in die Einzelbox kommt". Tatsächlich ist Milchviehhaltung, auch in kleineren Betrieben, mit mitlaufenden Kälbern gar nicht möglich.

Gute Tierhaltung ist an gutes Management gekoppelt. Die gibt es vor allem in kleinbäuerlichen Betrieben. Nur können die nicht alle fünf Jahre einen Stall nach neusten Tierwohlbestimmungen bauen.

Das Thema Nutztierhaltung ist enorm wichtig, dennoch fehlt mir der Hinweis auf die gesamte Haustierhaltung. Insgesamt gilt: Wir vermenschlichen die Tiere. Tiere sind nicht unglücklich, auch nicht glücklich. Sie stellen ihre Situation nicht in Frage. Sie existieren.

Jasmin Jäger, Inning

Todesursache bei Kälbern klären

Zu vermehrten Todesfällen in frühem Lebensalter der neugeborenen und jungen Kühe trägt sicherlich auch der Entzug der Muttermilch bei. Eine Abklärung von Todesursachen inklusive von Botulismus erscheint mir auch wegen der antibiotischen Wirkung von Glyphosat dringend erforderlich. Muttermilch für Mensch und Tier sollte ein Grundrecht sein. Wo kommen wir hin, wenn unsere Körper, die Muttermilch und das Trinkwasser Endstation für Plastikweichmacher- und Pestizid-Anwendung sind?

Dr. Gottfried Arnold, Hilden

© SZ vom 26.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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