SZ Werkstatt:Wie kommen Corona-Statistiken zustande?

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Datenjournalist Christian Endt erklärt, warum die Redaktion anfangs absolute, später zunehmend relative Fallzahlen zur Pandemie veröffentlichte.

Christian Endt arbeitet seit 2015 bei der SZ und ist für die Analyse und Aufbereitung von Daten zuständig. Seit Monaten beschäftigt er sich fast nur mit Statistiken zur Corona-Pandemie - und lernt immer noch täglich dazu. (Foto: Stefanie Preuin)

Nach welchen Kriterien kommen die Corona-Statistiken in der SZ zustande? Die anfangs gemeldeten absoluten Zahlen von Erkrankungen und Todesfällen waren nicht aussagekräftig. Warum hat die SZ nicht von Anfang an die Zahlen ins Verhältnis zur Einwohnerzahl des jeweiligen Landes gesetzt?

Sigrid Küster, München

So wie die Bundesregierung ihre Haltung zu Alltagsmasken änderte, haben auch wir in der Redaktion immer wieder über den richtigen journalistischen Umgang mit der Pandemie diskutiert. Zu Beginn setzten wir wohlüberlegt auf absolute Zahlen. Inzwischen hat sich die Lage geändert.

Bekanntlich verbreitete sich das Coronavirus zuerst in der chinesischen Stadt Wuhan, bevor es nach und nach fast die ganze Welt erreichte. In den meisten Ländern begann die Pandemie mit lokal begrenzten Ausbrüchen: In Deutschland erreichte sie zuerst das Münchner Umland, in Italien die Lombardei, in den USA war es New York. Andere Landesteile waren erst Wochen später betroffen, in manchen Gegenden gab es nie mehr als eine Handvoll Fälle. Ein Mensch im Landkreis Heinsberg hatte rein statistisch gesehen ein sehr viel höheres Risiko, an Covid-19 zu erkranken, als ein Bewohner von Naumburg an der Saale. Daher hielten wir als datenjournalistisches Team der SZ es lange für irreführend, die Fallzahlen ins Verhältnis zur Einwohnerzahl ganzer Staaten zu setzen. Dies würde suggerieren, dass die Einwohner des jeweiligen Landes in etwa gleichmäßig vom Virus betroffen sind.

Inzwischen hat sich das Virus in vielen Staaten nahezu flächendeckend ausgebreitet. Unsere Bedenken gegen das Umrechnen der Fallzahlen sind kleiner geworden. Dazu kommt, dass auch die Bundesregierung mit relativen Zahlen arbeitet. Landkreise und kreisfreie Städte sollen mit verschärften Auflagen reagieren, wenn die Neuinfektionen binnen einer Woche mehr als 50 Fälle je 100 000 Einwohner betragen. So ist diese Frage ein gutes Beispiel dafür, dass uns die Pandemie mit einer ständig veränderten Situation konfrontiert und verlangt, dass wir unsere Positionen immer wieder überdenken - und mitunter korrigieren.

(Foto: N/A)
© SZ vom 16.09.2020 / chen - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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