SZ Werkstatt:Was bedeutet der Untertitel der Zeitung?

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Michael Langgärtner, Leiter der Redaktionsrecherche, über die wechselvolle Geschichte der Münchner Neuesten Nachrichten, Ur-Zeitung der SZ.

Michael Langgärtner leitet die Redaktionsrecherche im SZ-Archiv. Er und seine Kollegen unterstützen die Redaktion bei der Beschaffung und Überprüfung von Informationen. (Foto: Fotostudio Sauter / privat)

Ist die Süddeutsche Zeitung aus den "Münchner Neuesten Nachrichten" hervorgegangen, oder wie kam dieser Untertitel zustande?

Jutta Kühn-Rechenmacher

Die Münchner Neuesten Nachrichten sind die Vorgängerin der Süddeutschen Zeitung. Im April 1848, kurz nach Aufhebung der Pressezensur, wurde die Zeitung unter dem Titel "Neueste Nachrichten aus dem Gebiete der Politik" gegründet. Seit Juni 1887 hieß sie Münchner Neueste Nachrichten. Die MNN, so ihr Kürzel, wurden zum bedeutendsten Blatt Süddeutschlands.

In der bewegten Geschichte der an sich liberalen Zeitung spiegeln sich die wechselvollen Zeitläufe der deutschen Geschichte wider: Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden die MNN nationalkonservativ, in der Weimarer Republik, nach dem Hitler-Putsch im Jahr 1923, vertrat die Redaktion, katholisch orientiert, monarchiefreundlich, aber demokratisch, eine dezidiert anti-nationalsozialistische Haltung - bis zur Gleichschaltung nach der NS-Machtübernahme 1933. Umgehend richtete sich der braune Terror gegen Redakteure und Angestellte des Knorr & Hirth Verlags, in dem die MNN erschienen. Die Eigentümer wurden gezwungen, an den NSDAP-Verlag zu verkaufen.

Nach Kriegsende stellten die Amerikaner in ihrer Besatzungszone im Rahmen eines Drei-Stufen-Plans zügig die Weichen für die Neugründung einer freien und demokratischen Presse. Im zerstörten München musste, das war (nach der Suche geeigneter Lizenzträger und leitender Redakteure) die dringlichste Herausforderung, ein passender Standort für die SZ gefunden werden. Sie war die erste Zeitung im Nachkriegsbayern. Im Sommer 1945 entschied man sich für den Verlagssitz von Knorr & Hirth an der Sendlinger Straße, wo die MNN bis zum 29. April 1945 produziert worden waren. Denn dort konnte auf einer ausgemusterten, aber noch intakten Rotationsmaschine das populäre Zeitungsformat der alten MNN gedruckt werden. Die günstige Lage des Verlags samt Druckerei mitten in der Stadt spielte bei der Wahl eine erhebliche Rolle.

Aber man wollte einen politischen und journalistischen Neuanfang und gar nicht den Eindruck aufkommen lassen, die SZ sei die unmittelbare Nachfolgerin der MNN. Nach langen Diskussionen über den Titel der Zeitung einigten sich die Presseoffiziere und künftigen Lizenzträger daher auf die Unterzeile "Münchner Nachrichten aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Sport", also ohne expliziten Bezug zu den MNN. Erst sechs Jahre später verweist die SZ im Zeitungskopf ausdrücklich auf ihre Vorgängerin. 1951 waren die Besitzverhältnisse endgültig geklärt. Der bayerische Staat, dem der vormalige Knorr & Hirth Verlag von der US-Militärregierung übereignet worden war, verkaufte den bis dahin verpachteten Verlagskomplex an den Süddeutschen Verlag. Ende 1951 nimmt die SZ in ihrem Untertitel die Bezeichnung "Münchner Neueste Nachrichten aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Sport" auf, um an die MNN zu erinnern. Überregional wurde die Unterzeile modifiziert; außerhalb Bayerns führt die SZ seit 20 Jahren den ursprünglichen Namen der MNN, "Neueste Nachrichten", im Titel mit. Michael Langgärtner

(Foto: N/A)
© SZ vom 30.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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