Stoa 169:Wie viel Kunst steckt in der Säulenhalle?

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Ein Kunstprojekt im oberbayerischen Polling erregt die Gemüter - einige loben die künstlerische Abwechslung, andere kritisieren eine übertriebene Anpreisung oder versiegelte Böden durch den Bau.

Umstrittenes Kunstprojekt "Stoa 169", im oberbayerischen Polling: 80 Säulen stehen schon, 121 sollen es am Ende werden. (Foto: Felix Pitscheneder; Künstler: Bernd Zimmer, VG Bild-Kunst, Bonn 2020)

Zu " Das Geschenk" vom 2./3. Januar:

Kleinster gemeinsamer Nenner

Viele Kunstwerke, die es in den Olymp der Kunstgeschichte geschafft haben, wären nicht gemalt, nicht gebaut, nicht gemeißelt, nicht aufgestellt worden, hätte man auf einen demokratischen Mehrheitsbeschluss eines Gemeinde- oder Stadtrates oder einer Institution bestanden. Wenn eine Gruppe oder ein Gremium über Kunst urteilen und entscheiden soll, bildet ein demokratischer Konsens immer den kleinsten gemeinsamen Nenner in Bezug auf das Kunstobjekt. Diese Mehrheitsentscheidungen fördern eine schale, beliebige, gefällige Kunst. Und das steht im Widerspruch zur absoluten Freiheit und Innovation der Kunst, wie sie schon vor Jahrhunderten von Mäzenen und Kunstliebhabern, also vor allem von Einzelpersonen, unterstützt und auch in Auftrag gegeben wurde. Kunst und Demokratie schließen sich mehr oder minder aus. Einerseits.

Andererseits ist verständlich, dass sich Widerstand regt, wenn Künstler oder Galeristen (generell) mit arroganter Attitüde und besserwisserischer Egozentrik ein sogenanntes Kunstwerk im öffentlichen Raum installieren und jede Kritik daran als ungebildetes Ignorantentum abtun. In ihrer Hybris setzen sie eine allgemeine Begeisterung der Rezipienten voraus und unternehmen alles, um ihr Werk an einen prominenten Platz unterzubringen. Dabei bedienen sie sich bisweilen auch unlauterer Methoden. Deshalb braucht es trotzdem und gerade für die Kunst im öffentlichen Raum den Diskurs und die Transparenz der Entscheidungsprozesse.

Gabriele Lauterbach-Otto, Überlingen

Zu viele Gegner kamen zu Wort

Als geborener Münchner, der seit 25 Jahren in Polling ansässig ist, danke ich für die ausführliche Berichterstattung über die Pollinger Säulenhalle "Stoa 169" des Künstlers Bernd Zimmer. Der Autor hat in meinen Augen allerdings den Gegnern des Projekts "Stoa 169" zu viel Raum zur Selbstdarstellung gegeben. Als Pollinger Bürger, der die Geschichte der "Stoa 169" von Anfang an mit großem Interesse und Engagement befürwortend begleitet hat, kann ich nur deutlich machen, dass die Pollinger Gruppierung der sogenannten "Freunde der Natur" mit etwa 25 Vertretern eine verschwindend geringe Minderheit der insgesamt rund 2700 Einwohner Pollings (mit den Ortsteilen Etting und Oderding sogar rund 3700) darstellt und, wie im Artikel bereits deutlich gemacht, ausschließlich Eigeninteressen verfolgt. Dafür ist ihr Auftreten umso lautstarker und aggressiver, was sich sowohl beim sogenannten "Info Spaziergang Stoa 169" im März 2019 (an dem auch der Unterzeichner teilnahm) als auch bei der sich kurz darauf anschließenden Informationsveranstaltung des Künstlers Bernd Zimmer im April 2019 mit zirka 600 Teilnehmern und der Bürgerversammlung im Juli 2019 zeigte.

Nicht zu Wort kam in dem hier zur Diskussion stehenden Artikel die weit überwiegende Mehrheit der Pollinger Bürger, die sich in der Informationsveranstaltung positiv und anerkennend über das Vorhaben des Pollinger Künstlers Bernd Zimmer geäußert hatten (vgl. SZ-Artikel vom 11. April 2019 "Polling ist nicht Feldafing" von Sabine Reithmaier). Summa summarum: Das Pollinger Jahrhundertwerk "Stoa 169" ist rechtschaffen unter Wahrung eines grunddemokratischen und behördlichen Verfahrens, das keiner vorausgehenden Bürgerbefragung bedarf, in die Wege geleitet und bautechnisch in Angriff genommen worden; es sieht nun seiner Vollendung im soeben begonnenen Kalenderjahr 2021 entgegen.

Polling kann sich glücklich schätzen, in dem Künstler Bernd Zimmer einen so visionären, kreativen und ambitionierten Mitbürger zu besitzen, der nicht nur als Maler weit bekannt und anerkannt ist, sondern sich selbst auch als Ideengeber für die Vision einer Völker verbindenden Kunst versteht.

Walter Habermann, Polling

Bunte Musterausstellung

"Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul"!? Auch wenn dieses Maul so viele schöne bunte Zähne hat: Die Art und Weise, in der dieses "Geschenk" der Kommune in den Vorgarten gestellt wurde, ist aus meiner Sicht unerträglich eitel, arrogant und übergriffig, kurz gesagt fragwürdig. Ist aber dieses "Weltkunstwerk" Kunst oder nicht eher eine bunte Muster-Ausstellung?

Säulen haben seit Jahrhunderten eine Aufgabe: Sie leiten uns vom öffentlichen Raum, über dem sie sich meist schon erheben, hin zu einem größeren wichtigen oder heiligen Raum, dessen Vorhalle oder Dach sie stützen. In Zimmers Konzept sind die Säulen Selbstzweck, formieren sich als riesiges Sammelsurium von konkurrierenden Selbstdarstellungen und sind hässlich eingezwängt zwischen banalen Boden- und Deckenplatten. Mal sehen, ob dieses Kunstwerk den Zeit-Test besteht, ohne dass doch noch Parkplätze, Dixie-Klos und Eisbuden notwendig werden!

Viktoria David, München

Hochwertiges Geschenk

Für mich - im zweiten Corona-Jahr 2021 - gab es schon zweimal das besondere Erlebnis, zur Stoa 169 zu wandern, die schon vorhandenen Originale zu bestaunen und mich auf dem Rückweg bestenfalls mit jemandem über das Gesehene auszutauschen. Dieses offene Feld hinter Polling an der Ammer hat etwas Besonderes, und ich meine, es ist ein echtes Geschenk von diesen Künstlern an uns, die uns ihre hochwertige Kunst - mitunter werden auch brisante Themen behandelt - mit dieser Art von Präsentation nach Oberbayern bringen.

Es werden 121 Säulen, keinesfalls jedoch Plakatsäulen, sondern eine ehrerbietende Stoa wie in der Antike, nur ganz nah. Wir brauchen also keine weite Reise ins antike Griechenland oder nach Indien zu unternehmen. Die Beschreibung des Objekts und dessen Aussage des jeweiligen Kunstwerks sind im Katalog und an den Täfelchen vom Künstler gut beschrieben.

Es tut mir in der Seele weh, dass Kunstignoranten, aber auch Naturschützer es immer wieder schaffen, sich vor so begnadete Künstler zu schieben, um sie kleinzureden. Ist es Missgunst? Ich denke an die Feldafinger Bürgerbefragung, damals, zum Standort des Buchheim-Museums, und komme beim Pollinger Kunstprojekt zu dem Schluss: Manche Leute sollte man zu Kunst einfach nicht befragen!

Anne-MarieMaier-Stratopoulos, Starnberg

Versiegelung der Fläche

Vorab sei betont: Ich maße mir nicht an zu urteilen, ob es sich bei dem Bauwerk des Herrn Zimmer tatsächlich um ein "Weltkunstwerk" handelt oder ob es mitsamt den Säulen überhaupt Kunst repräsentiert. Der Beurteilungshorizont, was Kunst ist und was nicht, ist bekanntlich sehr weit.

Zwei Punkte an diesem Projekt aber sind meines Erachtens geradezu skandalös: Zum einen wird von Herrn Zimmer zwar die repräsentative Demokratie und hier der Gemeinderat der Gemeinde Polling als von der Rechtsordnung vorgesehenes demokratisches Entscheidungsgremium bezeichnet. Wenn ich gleichzeitig lese, dass Herr Zimmer die Baugenehmigung mit der Gemeinde und dem Landratsamt "verhandelt" hat, befallen mich als Juristen bei Zugrundelegung der einschlägigen Vorschriften des Bundesbaugesetzes und deren Sinn und Zweck bezogen auf dieses "Weltkunstwerk" heftigste Bauchschmerzen ob des Selbstverständnisses dieser Verantwortungsträger. Ich kann der von der SZ zitierten Frau Richeza Herrmann nur zustimmen, wenn sie bezüglich der juristischen Rechtfertigung dieses Projektes von "Solitärmeinung" oder, noch deutlicher, "Gefälligkeitsplanung" spricht.

Das eigentliche Kunstwerk ist für viele Menschen die noch einigermaßen in ihrem wohltuenden Zusammenklang aus bäuerlicher Besiedelung und Kulturlandschaft erhaltene Gegend des Pfaffenwinkel. In diese kleinräumige Landschaft wurde nun dieses Bauwerk mit einer Flächenversiegelung von mehreren Tausend Quadratmetern hineingestellt. Künstlerinnen und Künstler wie Franz Marc, Gabriele Münter, Wassily Kandinsky, um nur einige zu nennen, die ihre Spuren im sogenannten Blauen Land hinterlassen haben, arbeiteten inspiriert von der Natur und mit der Natur, ohne sie auch nur im Geringsten zu stören. Ich erinnere nur an die "Grünen Hirsche", die Franz Marc an eine Zimmerwand in der Staffelalm zeichnete. Diese Künstler wirkten durch ihre Werke im Respekt gegenüber der sie umgebenden Natur - ohne sich selbst dabei Denkmäler im Außenbereich zu errichten.

Heinrich Ott, Teising

© SZ vom 21.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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