Sprachgebrauch:Worte prägen Handeln

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Eine Analyse über die Wortwahl im Bundestag seit 1949 ruft unterschiedliche Reaktionen hervor. Einige Leser sehen sie als Beleg für eine Verrohung der Sitten in der Debatte. Ein Schreiber fühlt sich im Sprachgebrauch bevormundet.

Zu " Die Protokolle seit 1949 zeigen, wie Sprache das Handeln von Politikern prägt" vom 6. März:

In der pädagogischen Psychologie gibt es, weiterführend in Denken und Handeln, einen Grundsatz, dass unerwünschtes Verhalten, unerwünschte Inhalte, Gegebenheiten (etwa Schimpfworte) in ihrer Bedeutung allgemein und besonders im Selbstbewusstsein der Betreffenden dadurch verstärkt werden, indem man sie negativ konnotiert. Im Umgang mit der Partei, durch deren Auftreten und das unkontrolliert entsprechende Interagieren der anderen Parteien ist, wie Sabrina Ebitsch schreibt, der Ton der Auseinandersetzungen insgesamt aggressiver geworden ist. Das ist ein Konfrontationsmodell, das insgesamt zerstörerisch wirkt. Unter den Wählern dieser Partei sind gewiss viele, die sie ursprünglich gewählt haben, weil sie sich von den Regierenden in ihrer Lebenslage nicht genügend geachtet sahen. Aber es gibt gute Gründe, anzunehmen, dass, um ihr Gesicht zu wahren, viele dieser Wähler aufgrund der Angriffe der anderen Parteien aus Stolz oder Trotz auch die nationalistischen Äußerungen dieser Partei unterstützen. Die entsprechenden evolutionären Grundmuster sind ja in jedem von uns vorhanden.

Hans Michael Miller, Freising

Die beiden SZ-Seiten zum Sprachgebrauch sind hochinteressant, nicht nur linguistisch, sondern vor allem politisch. Sie zeigen, wie insbesondere Journalisten dazu neigen, für "betreutes Denken" zu sorgen. Der normale Leser, zu dem ich mich auch zähle, hasst diese Vormundschaft.

Prof. em. Dr. Götz Uebe, Ludwigslust

Die Verwendung des Fremdworts "Migrant" ist nach meiner Beobachtung kein Werk der Rechtsradikalen, sondern von Linksliberalen. Damit wurden Fluchtursachen verwischt, die zuvor wohldefiniert waren: Asylberechtigung (aus politischen, kulturellen, sexuellen Gründen) hat Verfassungsrang. Flüchtling (vorwiegend kriegsbedingt) ist global menschenrechtlich definiert. Migrant (aus wirtschaftlichen Gründen) genießt keinen Schutzstatus. Migration bestimmt seit dem frühen 19. Jahrhundert das weiße Gesicht Amerikas. Afrikaner wurden unter Zwang dorthin verschleppt. Flüchtlinge prägen seit Jahrhunderten Europa. Asylberechtigung wurde erst vor wenigen Jahrzehnten kodifiziert, zu Recht als absolut geltender Anspruch.

Die politisch-religiös begründeten Zustände führen dazu, dass ethnische Minderheiten, Frauen, Homosexuelle die größten Gruppen der Asylberechtigten bilden, die aufzunehmen ein Gebot der Zivilisation ist. Viele Deutsche haben Flüchtlingshintergrund. Der Unterschied zu heutigen Geflüchteten war, dass keine kulturell-sprachlichen Barrieren bestanden. Solche Barrieren niederzureißen, ist unsere Aufgabe jetzt.

Dr.-Ing. Reinhold Gütter, Hamburg

© SZ vom 01.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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