Schule und Corona:Lüften und hoffen reicht nicht

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Die Zahl der Infizierten steigt, und der Unterricht geht weiter: Mit Maske und offenen Fenstern. Und wo bleibt die Strategie? Leser machen Vorschläge: Vom Schichtbetrieb bis zur Raumluft-Technik.

SZ-Zeichnung: Denis Metz (Foto: N/A)

Zu " Ich übergehe die Wissenschaft nicht" vom 23. Oktober, " Abhängen ist keine Maßnahme" und " Masken tragen, Klassen teilen", beide vom 21. Oktober, " Schulen sind längst in der 'neuen Normalität' angekommen" vom 20. Oktober sowie zu "Lüften, lernen, lüften", 17./18. Oktober:

Unbequeme Maßnahmen nötig

Bereits im April konnte man in einem der weitsichtigeren Artikel zum Thema Bildungspolitik lesen: "Eine Pandemie ist - das lässt der Name erahnen - etwas sehr Großes, sehr Einschneidendes, sehr Unbequemes. Ihr bildungspolitisch zu begegnen, wird nur mit groß gedachten, unbequemen und längerfristig einschneidenden Maßnahmen möglich sein." Heute, fast sieben Monate später, ist auf allen Kanälen zu lesen und zu hören, dass der deutsche Philologenverband den Lehrerinnen und Lehrern der Republik dringend zu Decken und warmen Jacken als ständigen Begleitern im stoß-, quer- und sonst wie zu lüftenden Klassenzimmer rät. Auch den Schülern sei dringend zu warmer Kleidung zu raten, denn man erwarte noch kältere (sic!) Tage nach den Herbstferien! Flankiert wird dieses groß gedachte "Konzept" von diversen Ratschlägen diverser Kultusminister, einig ist man sich darin, dass es kälter und ab November insgesamt schwieriger werden wird, je nach Größe der Kippfenster und Dicke der Daunendecken.

Um den Regelbetrieb wirklich aufrechtzuerhalten, und das ist in der Tat vollkommen alternativlos, hätte man längst groß und für alle Beteiligten - Lehrer, Schüler und Eltern - unbequem denken und planen müssen und auch können: Schulen an sechs Tagen (ja, auch samstags!) in der Woche von 7 Uhr morgens bis 20 Uhr abends nutzen, Schichtbetrieb in kleinen Gruppen über den ganzen Tag verteilt, Lehrstoff einheitlich kürzen und auf das Wesentliche reduzieren. All das länderübergreifend, verbindlich und langfristig; denn, auch das ist jetzt schon klar, der ersehnte Impfstoff im nächsten Jahr wird nicht das Allheilmittel sein, es wird wieder einen warmen, unproblematischeren Sommer geben - und danach wird es aller Wahrscheinlichkeit im Herbst wieder kälter werden.

Ingo Stöfken, Au

Kälte macht Kinder krank

Frau Yvonne Gebauer, Schulministerin in NRW, sagt in dem Interview mit der SZ: "Alle 20 Minuten kräftig stoßlüften für drei bis fünf Minuten. Dabei sinkt die Temperatur kurzfristig um circa drei Grad im Raum, aber sie steigt auch schnell wieder." Ich kenne es nur umgekehrt, dass die Temperatur schnell sinkt und dann nur sehr langsam wieder steigt!

In Augsburg meinte die Stadt in den 90ern einmal, Heizkosten sparen zu müssen und legte die Raumtemperatur für Klassenzimmer auf 20 Grad fest, da die Schüler mit ihrer Körpertemperatur den Raum auf 21 Grad erwärmen würden. In der Konsequenz saßen alle Schüler und Lehrer im Winter in ihren Mänteln und Jacken in den Klassenzimmern, weil es einfach zu kalt war!

Wie soll da vernünftige Unterrichtsarbeit möglich sein, abgesehen von der Tatsache, dass die Krankheitsrate erheblich gestiegen ist! Ich würde mir hier von Politkern mehr Fachkompetenz erwarten.

Burkhard Colditz, Sindelsdorf

Empfehlen ja, vorschreiben nein

Schon die Überschrift zu dem Interview mit Schulministerin Gebauer suggeriert unbotmäßige Widersetzlichkeit, wo keine ist: Über einen Befehl kann man sich hinwegsetzen, nicht aber über eine Empfehlung. Man kann - und darf - allenfalls beschließen, einer Empfehlung nicht zu folgen. Dies gilt auch für die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, das in der Vergangenheit seine Empfehlungen an die Politik ja selbst x-mal geändert hat. Und es gilt für die Volksvertreter, die zwischen all den Lockdowns und Quarantänen von vielen (nicht nur von Eltern) inzwischen eher als Volkstreter empfunden werden.

Danke an Frau Gebauer für ihren mutigen Versuch, die ihr anvertrauten Kinder irgendwie noch einigermaßen vor den wahnsinnigen Übergriffen einer aus dem Ruder gelaufenen "PCR-Test-Pandemie" zu schützen. Gewiss, wer erkrankt, kann schwer erkranken. Aber die meisten Kinder, die in Isolation, Quarantäne, Homeschooling und unter Kita- und Schulschließung, maskenbedingter Atemnot, Durchzugskälte im Klassenzimmer, oder ohne PC und Bildung leiden, sind pumperlgsund und tragen kaum oder nicht zum Infektionsgeschehen bei. Frau Gebauer versucht, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

Bettina Kenter, Germering

Lehrer loben, nicht schikanieren

"Schulen sind längst in der neuen Normalität angekommen" - endlich ein zukunftsweisender Artikel! Regelschulbetrieb mit Masken spielt für das Infektionsgeschehen keine Rolle. Man senkt die Infektionszahlen also nicht, wenn man Schulen zusperrt. Schüler und Lehrer quälen sich jeden Tag mit teils abstrusen Vorschriften, um Bildung möglich zu machen. Sie sichern so die einzige Chance für die Zukunft, die unser Land noch hat. Hierfür sollte man ihnen dankbar sein und sie nicht sinnlos schikanieren und endgültig demotivieren. Vielmehr sollte die Politik alle Energie aufwenden, große Partys ohne jede Hygienemaßnahme zu verhindern!

Karin Sixt, Unterhaching

Klassenteilung ist ungerecht

Ich möchte Frau Mareen Linnartz für ihren mutigen Kommentar "Abhängen ist keine Maßnahme" gratulieren und ergänzen, dass geteilte Klassen auch in den Augen vieler Lehrer die mit Abstand schlechteste Möglichkeit ist, auf gestiegene Corona-Zahlen zu reagieren! Geteilte Klassen sind überfordernd, ineffektiv und ungerecht! Überfordernd, weil Lehrer jeden Unterrichtsinhalt doppelt aufbereiten und verbreiten müssen und dessen Umsetzung teils komplett an den Schülern hängen bleibt, die dies vor allem in ihren Problemfächern alleine nicht leisten können. Ineffektiv, da trotz immensem Mehraufwand weniger Inhalte schlechter gelernt werden. Ungerecht, da wir uns zwar in einer Ausnahmesituation befinden, in puncto Noten und Schulaufgaben aber keine Ausnahmen vorgesehen sind.

Wie soll der Lehrer eine gerechte Schulaufgabe hinbekommen, wenn eine Gruppe eine Woche mehr "Lehrerzeit" in der Schule zur Verfügung hatte und abschließende Fragen kurz vor der Schulaufgabe im Unterricht stellen konnte, während die andere Gruppe zu Hause war und nur zur Schulaufgabe in die Schule kommen kann?

Holger Nachtigall, Sachsenried

Schulen anders bauen

Die Luftqualität in Klassenräumen ist eine Katastrophe, und das nicht erst seit Corona. Der Hygieniker Pettenkofer hat bereits um 1900 festgestellt, dass in einem Innenraum ab 0,1 Prozent CO₂ (1000 ppm) Gesundheitsgefahr besteht. In einem modernen Klassenraum (Isolierfenster) mit circa 20 Schülern ist dieser Wert bereits nach 25 Minuten erreicht. Dennoch wurden und werden weiter Schulen gebaut, ohne raumlufttechnische Anlagen (RLT), wie sie zum Beispiel bei Passivhaus-Gebäuden vorgesehen sind.

Bereits vor zehn Jahren hat das Umweltbundesamt festgestellt, dass ohne Einsatz von RLT-Anlagen die Grenzwerte nach DIN EN 13779 nicht eingehalten werden können. Trotz dieser Erkenntnis haben Verantwortliche in Politik und Verwaltung und auch Schulpflegschaften (bis auf wenige Ausnahmen) nicht reagiert. Bei Architekturwettbewerben für Schulen und öffentliche Gebäude geht es eher um architektonischen Schnickschnack als um gesundes, nachhaltiges Bauen. Ob RLT-Anlagen allein helfen, Infektionen durch zusätzliche Filter einzudämmen, bin ich mir nicht sicher, aber das Lüftungsproblem wäre gelöst.

Dipl. Ing. Manfred Winnen, Köln

© SZ vom 31.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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