Raser:Das Auto als Waffe

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Seit ein 20-Jähriger in Stuttgart mit gut 100 km/h in einem Jaguar zwei Menschen totgefahren hat, diskutieren Leser darüber, ob so ein Unfall auch Mord sein kann. So lautete auch die Anklage. Ob ein Verbot solcher Autos etwas bringt?

Zu " Mit 170 durch Stuttgart", 25. Oktober:

Ob der Unfallverursacher ein Mörder ist oder nicht, werden die Gerichte beurteilen. Auf jeden Fall ist das Leben dieses jungen Mannes mit diesem Tag ein anderes. Er hat wohl nicht durchschaut, was er mit solch einem Mordgerät anrichten kann.

Wer meines Erachtens ebenfalls auf die Anklagebank gehört, sind diejenigen, die ihm diese "Waffe" zur Verfügung gestellt haben: erstens der Autovermieter, der mit diesem Schwachsinn sein Geschäftsmodell entwickelt hat. Zweitens die zuständigen Stellen des Verkehrsministeriums, die solche Autos für den Straßenverkehr zugelassen haben! Allerdings habe ich Zweifel, ob sich die Herrschaften ihrer Mitverantwortung stellen. Wenn schon der oberste Dienstherr Geschwindigkeitsbeschränkungen als "gegen jeden Menschenverstand gerichtet" abkanzelt! Es sollte verboten sein, solche Autos auf die Menschheit loszulassen.

Klaus Liesenfeld, Burghausen

Der erschütternde Bericht von Hans Holzhaider gilt zwar einem Extremereignis. Und doch ist dieses zugleich symptomatisch für ein Land und seine Verkehrsdisziplin. Auf deutschen Straßen wird gerast, als gelte es, sich rasch noch einen Lustgewinn zu verschaffen, ehe dann doch noch - und sei es aus Gründen des Klimawandels und der Energiewende - ein Tempolimit auf Schnellstraßen verfügt werden muss. Dass dieses nur greift, wenn zugleich der Bußgeldkatalog drastisch verschärft wird, beweist die benachbarte Schweiz. Deren Raser toben sich vorwiegend auf deutscher Seite aus (etwa auf der A 81). Umso entspannender ist die Benutzung von Schweizer Autobahnen.

Dass es bei uns noch nicht so weit gekommen ist, liegt an der Fetischisierung des Autos, zumal im Autoland Baden-Württemberg, wo das Rasen nach Ansicht von Ministerpräsident Kretschmann das ist, was für die USA die Waffen sind. Und wo der Bundesverkehrsminister ein Tempolimit auf Autobahnen als "gegen jeden Menschenverstand" gerichtet sieht. Unter solchen Ausgangsbedingungen wird es im Straßenverkehr weiter zu Geschwindigkeitsexzessen, zu Mord und Totschlag kommen.

Wolf Hockenjos, Donaueschingen

Die Justiz trifft mindestens in den Raserfällen stets daneben. Lange Zeit nahm man Fahrlässigkeit an und beließ es bei einer Art Bearbeitungsgebühr. Jetzt wird öfter Mord angenommen. Warum nimmt man nicht einfach Totschlag? Zu diesem genügt Inkaufnehmen ebenso, und es kann ebenso lebenslange Haft verhängt werden. Dies trifft den Fall, verkürzt die Diskussionen und ist revisionssicher.

Dieter Lucht, Bonn

Ihr Artikel zeichnet ein befremdlich sympathisches, ja empathisches Porträt eines rücksichtslosen Adrenalinjunkies, dem es sooooo wahnsinnig leidtut, dass er zwei Menschen in Ausübung seines "Hobbys" getötet hat, als er zum Spaß mit mörderischen 170 Sachen durch Stuttgart raste. Es war ja überhaupt nicht vorherzusehen, dass ihm bei dieser Raserei ein dusseliger Autofahrer, der blöderweise damit gerechnet hat, dass sich alle an die gültigen Verkehrsregeln halten, in die Quere kommt. "Was dem Ami die Waffe, ist dem Deutschen das Rasen", sagte Kretschmann.

In der Tat sind Autos eine tödliche Waffe. Wie würden Gerichte urteilen, wenn ein Jäger oder Sportschütze in einem bewohnten Gebiet herumballerte und es ihm dann so wahnsinnig leidtäte, dass er statt einer Blechbüchse einen Passanten erwischt hat? Ich kann den Staatsanwalt, der auf Mord plädiert, gut verstehen. Alle Merkmale treffen zu.

Norbert Bolz, Bochum

© SZ vom 30.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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