Praxis-Öffnungszeiten:Unverschämt

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Die Öffentlichkeit habe ein völlig falsches Bild von der Arbeitsbelastung niedergelassener Ärztinnen und Ärzte - das ist der Grundtenor der Leserbriefe zum Thema Wartezeiten im Wartezimmer.

SZ-Zeichnung: Karin Mihm (Foto: Karin Mihm)

" Populismus hilft nicht" und " Ärzte sollen Praxen auch samstags öffnen" vom 21. Dezember:

Mit seinem Beitrag hat Werner Bartens wahrscheinlich nicht nur mir aus der Seele gesprochen. Wie in vielen anderen Branchen nehmen fachfremde Theoretiker/ Politiker auch auf dem Sektor Medizin das Ruder in die Hand. Sie erklären die Ärzte in aller Öffentlichkeit zu Statisten, wobei deren Fremdbestimmung das verantwortbare Maß längst überschritten hat.

Es seien mir zwei Ergänzungen gestattet: Die notwendigen Fortbildungsmaßnahmen nehmen einen breiten Raum ein, denn andernfalls werden die Honorare empfindlich gekürzt. Und dann gibt es das leidvolle Thema der Budgetierung, die dafür sorgt, dass die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen es mit ihrer Arbeit zu Lasten ihrer eigenen Gesundheit nicht übertreiben. Bei einer Fallpauschale von etwa 16 Euro brutto im Quartal pro gynäkologischer Patientin muss man lange nach dem tieferen Sinn forschen, warum ein Arzt trotzdem nicht kostendeckende zusätzliche Sprechzeiten anbieten sollte.

Rudolf Schonhoff, Gladbeck

Bagatellen im Notdienst

Als Kinderarzt, der im Samstagsnotdienst kürzlich 105 Patienten behandelt hat, kann ich dem Autor nur beipflichten, dass sich die Versorgung in Deutschland auf sehr hohem Niveau befindet, wobei die Belastung der Ärzte nicht unerheblich ist. Leider werden die Notdienste wirklich als Sammelstelle für Bagatellbeschwerden oder Dauerbeschwerden oder für Zweitmeinungen missbraucht. Dies führt zu überlaufenen Notdienstambulanzen, in denen ein Kind, das einen Asthmaanfall hat, vielleicht zu spät behandelt wird. Eine Einsicht, dass die Bagatelle eine solche ist, besteht oft nicht. Das einzige Korrektiv wäre hier ein Notdienstzuschlag für den Patienten. Bei Diagnose eines echten Notfalls kann der Patient dann eine Kostenerstattung bei seiner Kasse beantragen.

Michael Koster, Oberhausen

Wenn der Akku leer ist

Ich bin niedergelassener Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie. Meine Patienten brauchen neben fachlicher Kompetenz und hoher Konzentration ein Mindestmaß an Empathie, aber nur selten kurzfristige Termine im Sinne einer Notfallsituation. Weil Termine am frühen Morgen sehr beliebt sind, beginnt der Arbeitstag montags bis freitags gegen sieben Uhr. Auch am Mittwoch ist nachmittags geöffnet. Am Freitag gegen 13 Uhr ist dann der Akku geistig und emotional leer. Es reicht noch für Verwaltungsarbeit, aber nicht mehr für persönliche Zuwendung. Die wöchentliche Arbeitszeit liegt bei 45 bis 50 Stunden. Das Wochenende gehört der Familie und den Kindern (nicht der Yacht und nicht dem Golfplatz).

Wer die Unverschämtheit besitzt, dies als zu geringen Beitrag zum Gemeinwesen zu betrachten, und wer von mir verlangt, auch noch am Wochenende zu arbeiten, damit die Klientel sich möglichst gar nicht mehr anstrengen muss, einen der begehrten Termine wahrnehmen zu können, muss mit zivilem Ungehorsam rechnen. Der Autor hat in allen Punkten recht, es handelt sich um populistische Maximalforderungen der Kategorie: Alles muss möglich sein.

Stefan Wolf, Sinsheim

Freiheiten für Freiberufler

Was mich nachdenklich macht, ist wieder einmal, dass selbst im Wirtschaftsteil eine Erwägung keinen Eingang findet: Die niedergelassenen Ärzte sind Freiberufler. Als solche tragen sie sämtliche Risiken und Kosten selbst, bei sowieso schon gedeckeltem Verdienst. Dann haben sie auch das Recht, selbst zu bestimmen, wann und für wen sie ihre Praxen öffnen. Der Autor schreibt von Patienten, die trotz Termins einfach nicht erscheinen. Die Folge ist, dass der Arzt für diesen Leerlauf nichts verdient. Einmal ganz abgesehen davon, dass gerade bei den niedergelassenen Medizinern immer mehr Zeit für unsinnige gesetzliche Vorschriften gebraucht wird. "Golfplatz und Segelyacht" entsprechen schon lange nicht mehr der Realität. Die Zahl der Mediziner, die trotz einer 60- bis 70-Stunden-Woche von ihrer Arbeit kaum noch leben können, steigt. Wenn Politik und Krankenkassen hier mehr Flexibilität einfordern, dann soll der Staat die Ärzte und ihr Personal doch bitte anstellen und auch die Kosten hierfür tragen. Ich bin im Übrigen kein Mediziner.

Jörg Sulimma, Weilheim

© SZ vom 05.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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