Pflege-TÜV:Gut oder gut gemeint?

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Das neue Bewertungssystem für Pflegeheime birgt die Gefahr, dass Aufgaben hinzukommen und weniger Zeit für die Arbeit mit Menschen bleibt, fürchtet ein Altenpfleger. Auch das Intensivpflege-Stärkungsgesetz birgt Diskussionsstoff.

Zu " Ende der Bestnoten" und " Kein Trost, nirgends", beides vom 2./3. Oktober:

Mir macht die Aussicht auf ein Leben im Pflegeheim keine Angst - weil ich selbst in einem gearbeitet habe, weil enge Verwandte in Pflegeheimen gut und fürsorglich betreut werden, weil ich gute Geschichten kenne! Als Krankenschwester habe ich erlebt, dass Patienten stationär aufgenommen wurden mit eingerollten Fußnägeln und wochenlang nicht gewaschen - sie kamen von zu Hause.

Oder dass Patientinnen am Entlassmorgen Wehwehchen entwickelten, weil sie Angst hatten, in ihre einsame eigene Wohnung zurückzukehren. Diese Geschichten gibt es auch. Die groteske Überzeichnung einer Nacht im Pflegeheim und die negative Berichterstattung zeichnet kein realistisches Bild, hilft den Pflegekräften nicht und trägt höchstens dazu bei, dass ein paar Menschen weniger den verantwortungsvollen, abwechslungsreichen und leider nicht angemessen bezahlten Pflegeberuf ergreifen.

Hanna Viehweger, Backnang

Auf den ersten Blick scheint das neue Prüfsystem tatsächlich besser zu sein als der alte "Pflege-TÜV", wenn nun mehr auf die Ergebnisqualität anstatt auf die korrekt geführte Dokumentation geschaut wird.

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten: Die halbjährlichen internen Qualitätsprüfungen binden die Ressourcen der wenigen und ohnehin schon überlasteten Pflegefachkräfte. So wird den beruflich Pflegenden wieder einmal eine neue Aufgabe übergestülpt, die sie neben den ab 2020 vorbehaltenen Tätigkeiten und der Versorgung und Betreuung der Pflegebedürftigen zu erledigen haben. Wie all das unter dem herrschenden Personalmangel funktionieren soll, kann wohl keiner sagen.

Pflegekräfte treten wie schon seit Jahren weder für bessere Arbeitsbedingungen oder eine bessere Bezahlung für sich selbst noch für bessere Lebensbedingungen für die Pflegebedürftigen ein und wehren sich auch jetzt nicht gegen die überbordende Bürokratie, die sie von den wesentlichen Inhalten ihrer Arbeit abhält. Pflegende sind schon ein seltsames Völkchen ...

Die beste Kontrolle sind immer noch Angehörige, Ärzte, Apotheker, ehrenamtliche Mitarbeiter oder Bestatter. Dadurch spricht sich unabhängig von Pflegenoten oder Kästchensystem schnell herum, welches Heim gut ist und welches nicht.

Sascha Rakers, Altenpfleger, München

Ich bin 40 Jahre alt und habe einen angeborenen Herzfehler. Seit einer misslungenen Folgeoperation 2012 bin ich unverschuldet beatmete Tetraplegikerin und lebe - nach einer langen Zeit in diversen Krankenhäusern, während der ich zweimal einen Dekubitus und eine MRSA-Infektion erleiden musste - nunmehr zufrieden, sozial eingebunden und von meinen Eltern und meinem Mann liebevoll umsorgt, zu Hause. Dabei werde ich von einem sehr engagierten Intensivpflegedienst rund um die Uhr sehr kompetent medizinisch versorgt.

Die Forderung, dass Intensivpatienten zukünftig nur noch in Heimen untergebracht werden sollen, hat mich sehr plötzlich aus meiner mittlerweile einigermaßen stabilen Lage - sowohl gesellschaftlich als auch psychisch - gerissen. Eine Unterbringung im Heim würde auf einen Schlag all meine mühsam gewonnene Freiheit und Selbständigkeit zunichte machen und zu erheblichen psychischen Schäden führen. Da ich weder laufen noch meine Hände und Arme bewegen kann, was doch an sich schon Strafe genug sein sollte, würde dies zu einem elenden Dahinsiechen mit nichts als Fernsehen, Essen und Schlafen führen. Außerdem besteht in solchen Einrichtungen ein erheblich erhöhtes Risiko, an Depressionen, Dekubitus oder Krankenhauskeimen zu erkranken, was seinerseits hohe Kosten nach sich ziehen würde.

Auf change.org protestiere ich deshalb mit vielen Tausend ähnlich Betroffenen gegen das geplante Intensivpflege-Stärkungsgesetz.

Verena Wieser, München

© SZ vom 17.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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