Palandt:Leider kein Einzelfall

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Ein wichtiger juristischer Kommentar ist heute noch nach dem NS-Funktionär Otto Palandt benannt. Eine Leserin, die zum Themenschwerpunkt Steuerrecht forscht, hat noch weitere Beispiele für unselige Kontinuität gefunden.

Vielen Dank für den interessanten und wichtigen Artikel " Recht ohne Gewissen" vom 17. September über Otto Palandt und den Verlag C.H. Beck. Leider ist das Verhalten des Beck-Verlags beim "Palandt" kein Einzelfall, sondern die Regel bei gut laufenden Kommentaren, die Namen schwer belasteter Juristen des Dritten Reiches tragen.

Nachfolgend zwei weitere Beispiele aus meinem Forschungsgebiet, dem Steuerrecht im Nationalsozialismus: Blümich: Einkommensteuer, KStG, GewStG-Kommentar, 148. Auflage 2018 (ein Toptitel laut beckshop online). Walter Blümich leitete ab 1933 im Reichsfinanzministerium das Einkommensteuer-Referat. Auf ihn gingen zum Beispiel folgende Änderungen des EStG 1938 und 1939 zurück: Kein Kinderfreibetrag mehr "für Kinder, die Juden sind"; kein günstiger Verheirateten-Tarif mehr, wenn einer der Ehepartner Jude ist.

Boruttau: Grunderwerbsteuer-Kommentar, 18. Auflage 2016 (noch immer mit seinem Vorwort von 1940 und dem makaberen Hinweis, besonders ausführlich auf Zwangsversteigerungen einzugehen). Ernst Paul Boruttau war seit 1937 NSDAP-Mitglied und als Referatsleiter für die Verkehrsteuern im Reichsfinanzministerium unter anderem dafür verantwortlich, dass Juden, die zur Bezahlung der immensen Sondersteuer "Judenvermögensabgabe" ab 1938 Grundstücke und Wertpapiere an das Reich übertragen mussten, auch noch doppelt durch Steuern belastet wurden.

Mein Beitrag in einer Steuer-Fachzeitschrift des Beck-Verlags wurde 2016 dahingehend zensiert, dass diese beiden Namen nicht genannt werden durften. Ich hatte nach Darstellung der fiskalischen Judenverfolgung und -enteignung nicht einmal die Umbenennung solcher Kommentare gefordert, sondern lediglich eine Reflexion, zum Beispiel in Form einer entsprechenden biografischen Information im Vorwort oder Internet. Das bekam ich sogar schriftlich, was ich 75 Jahre nach Beginn der Deportationen und der finalen Enteignung aller jüdischen Deutschen durch die Finanzämter nicht für möglich gehalten hätte.

Prof. Regine Buchheim, Berlin

© SZ vom 04.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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