Lohnfortzahlung:Entsolidarisierung

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Wer möchte schon verantwortlich sein, dass Freunde oder Bekannte in unbezahlte Quarantäne müssen? Leser äußern Skepsis bei der Umsetzung dieser Maßnahme.

Zu " Ende der Lohnfortzahlung für Ungeimpfte" vom 23. September und " Zahlen, bitte" vom 11./12. September:

In "Zahlen, bitte" begrüßt Wolfgang Janisch, ungeimpften Personen keinen Ersatz mehr aus der Staatskasse für einen Lohnausfall zu zahlen, den sie quarantänebedingt erleiden. Im Grundsatz geht es um Kosten, die wegen eines bestimmten Umgangs des Einzelnen mit seinem Körper entstehen. "Mein Körper gehört mir", so darf man wohl zusammenfassen, war bislang unbestrittener gesellschaftlicher Konsens. Ob Selbstverletzung bis hin zum Freitod (letzteren hat das Bundesverfassungsgericht erst kürzlich als unveräußerliches Recht des Individuums bestätigt), ob Alkohol- und Nikotinabusus, ob Fress- oder Magersucht, Boxen oder Formel-1-Rennfahren. Nirgends streicht der Staat Kranken die medizinische Behandlung, mit der von Janisch herangezogenen Erwägung, wer sich in eigener Sache gegen die gesundheitliche Vernunft stelle, habe sich für den Gebrauch seiner Freiheit entschieden und dürfe nun die finanziellen Konsequenzen nicht der Gemeinschaft in Rechnung stellen. Falls diese neue Auffassung Schule macht, dann werden sich die Raucher und die Adipösen unter uns warm anziehen müssen. Zu Ende gedacht landeten wir alle in einer Gesundheits-Politik, bei der die herrschende Meinung der vernünftig Denkenden darüber bestimmt, welche Krankheitskosten noch sozialisiert werden.

Dr. Lars Meinhardt, Wardenburg

Ein wirklich brillanter Schachzug, die Gesellschaft weiter zu spalten: Alle, die im Home Office arbeiten können und so auch während einer Quarantäne ihre Arbeitsleistun erbringen können, wird man schwerlich die Lohnfortzahlung verweigern. Es wird also die treffen, die eh schon genug gelitten haben, zum Beispiel Kassiererinnen. Die reicheren Bürger werden die zwei Wochen Quarantäne aus eigener Tasche bezahlen, die Ärmeren können das nicht. Und was ist dann, wenn man in der Quarantäne zu Hause stürzt und krankgeschrieben wird? Quarantäne ohne Lohnfortzahlung oder die Krankschreibung mit Lohnfortzahlung? Was die Regelung ganz sicher bewirkt, dass keiner einen Bekannten beim Gesundheitsamt angibt, wenn man weiß, dieser ist nicht geimpft. Wer will schuld sein, wenn diese Person kein Gehalt mehr bekommt? Und zur Solidarität: Bisher zahle ich die Lungentransplantation des Rauchers ja auch mit. Oder die Hüftoperation einer Übergewichtigen. Das würde ich gerne in Zukunft dann nicht mehr tun.

Gisela Kranz, Oberschleißheim

© SZ vom 27.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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