Lebensmittel retten:Dein, mein, unser

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Was ist wirklich sozial? Weggeworfene Lebensmittel für arme Menschen zu sichern ganz bestimmt, meinen Leser.

Wäre alles noch zu retten: Weggeworfene Lebensmittel in einer Biotonne. (Foto: Arno Burgi/dpa)

" Dieb oder Retter" vom 27./28. Oktober:

Für einen Staatsanwalt ist der Fall klar: Eigentum ist zu schützen, auch wenn es sich um weggeworfenes Essen handelt. Ist der Staatsanwalt doch an das Gesetz gebunden, und die "Olchis" haben eben "eine fremde, bewegliche Sache" nicht nur entwendet, sondern auch noch aus einem "verschlossenen Behältnis" - also war das schwerer Diebstahl. So hat man das dem Staatsanwalt im Hörsaal beigebracht. Nur, bei der Vorlesung im Verfassungsrecht haben sich Generationen von Staatsanwälten zu oft vorgenommen, sich taub zu stellen, intellektuell überfordert zu sein oder gleich zu schwänzen. Nach den Erfahrungen des Naziunrechtsstaates und dem blinden Gehorsam der damaligen Justiz sind seit über 70 Jahren Staatsanwälte und Richter nicht nur an Gesetz, sondern an "Gesetz und Recht" gebunden, und zum Recht gehört auch die Verfassung. Nach der Verfassung stehen sich bei der Aktion der "Olchis" zwei Grundrechte gegenüber: das Verfassungsrecht auf Eigentum (Art. 14 Grundgesetz) und das auf Demonstrationsfreiheit (Art. 5 Grundgesetz). Richter und auch ein normenfixierter Staatsanwalt müssen eine "Abwägung" vornehmen, was schwerer wiegt: das Recht, Lebensmittel zu entsorgen, um stattdessen neue zu verkaufen, oder das Recht, auf diesen Missbrauch hinzuweisen.

Was Staatsanwälte gerne in ihrer Eigentumsfetischisierung übersehen: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen" (Art. 14 Abs. 2 Grundgesetz). Dient es dem Wohle der Allgemeinheit, noch Essbares zu vernichten? Sicher nicht. Also überwiegt das Recht der "Olchis", auf diesen Missstand hinzuweisen. Nachhilfe für Staatsanwälte im Verfassungsrecht erscheint dringend geboten.

Jürgen Arnold, München

Von wegen "Sozial"-Staat

Hat unsere Polizei wirklich nichts Wichtigeres zu tun, als zwei junge Frauen anzuzeigen, die aus ethischen Gründen noch essbare Lebensmittel einsammeln, die ein "großzügiger" Edeka-Filialleiter auf den Abfall geworfen hat? Und unser "Sozial"-Staat bedroht die beiden auch noch mit einer Anklage! Wer jetzt noch nicht begriffen hat, was christlich-sozial in unserem Staat bedeutet, der sollte endlich seine Augen öffnen.

Georg Müller, Grainau

© SZ vom 13.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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