Landwirtschaft:Selbst schuld

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Im Sommer der Dürre rufen die Bauern um Hilfe. Das Problem: Nur Geld zu verteilen hilft den Agrarfabriken, nicht den Familienbetrieben. Die müssen lernen, sich auf den Klimawandel einzustellen. Auch die Leser beschäftigt das Thema.

Aus der Vogelperspektive: Ein Mähdrescher fährt über ein Getreidefeld in Niedersachsen. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

" Überhitzt" vom 31. Juli, " Hitzeschlag" vom 4./5. August sowie weitere Artikel zum Thema Dürre.

Doppelzüngig

Diese Ausführungen habe ich mit großer Freude gelesen, weil die Darstellung mir aus der Seele spricht, gleichzeitig mehrere Nägel auf die Köpfe trifft und für mich das präziseste Statement ist, was dieses Thema angeht. Der Bericht legt den Finger genau in die wohl nie heilende Wunde einer maßlosen, lobbyistischen Agrarstruktur. Und ich nehme hier alle vernünftig wirtschaftenden und damit zukunftsorientierten Landwirte mit ihren zielgerichteten Maßnahmen explizit aus. Die sind mit ihrem Gedankengut und festem Willen auf dem richtigen Weg. Wenn man durch die Lande fährt, ist deutlich zu erkennen, welche überzogene Bauwut die Landwirtschaft an den Tag legt. Die Stallungen (Kuh- und Schweineställe gleichermaßen) werden immer größer, um mit mehr Vieh besetzt zu werden und damit mehr Verdienst zu erreichen.

Woher nehmen denn die Landwirte die finanziellen Mittel, um solche monströsen Bauten in die Landschaft zu stellen, wenn der zu erzielende Milch- und auch Fleischpreis den Erzeugern nicht entspricht. Die aus Ihrem Bericht zu entnehmende Monobepflanzung der Ackerflächen liegt auf dem gleichen "Pfad der Tugend" und steht für eine Fehlinvestition im Sinne einer vielschichtigen, traditionellen Landwirtschaft. Die Doppelzüngigkeit der Agrarwirtschaft, vom Verband bis zum Erzeuger, ist hanebüchen, denn die "Sorge der Bauern" ist hausgemacht. Deshalb sollten die Verantwortlichen oder Betroffenen nicht nach Hilfe rufen, sondern sich an der eigenen Nase fassen. Sollten die Selbstbeschränkungen nicht ausreichen, dann erst könnte und sollte um Hilfe gebeten werden. Nicht umsonst fragt man, warum die Bauernkinder immer zu enge Schuhe tragen müssen: Weil sie damit das Jammern besser lernen. Nix für ungut.

Rudolf Blank, Kirchseeon

Ethisch inakzeptabel

Die fehlgeleitete Subventionspolitik (Gemeinsame Agrarpolitik, GAP) verschlimmert das ökologische und soziale Desaster, ungerührt durch die Fehlsubventionierung riesiger Ackerflächen für Mais- und Rapsanbau für Biosprit, Biodiesel und Verstromung. Das ist nicht nur ökologisch, sondern auch ethisch völlig inakzeptabel. Sind das "unsere westlichen Werte"?

Dr. Peter Ochlich, Schönau

Mehr als logisch

Die Hitze und Trockenheit in diesem Sommer fordert ihren Tribut, und wenn es regnet, dann gleich unwetterartig, sodass der Boden kaum was aufnehmen konnte! Die Landwirte haben an diesem Sommer besonders zu knappen, denn Ernteausfälle und Futtermangel sind die Folgen! Da ist der Ruf der Bauern nach finanzieller Unterstützung mehr als logisch und sollte jedem verständlich sein! Nun hat sich die Bundeslandwirtschaftsministerin, Frau Julia Klöckner, zu Wort gemeldet mit der Aussage: Man könne erst handeln, wenn es einen abschließenden Erntebericht gibt, aber warum so lange warten? Sind die Folgen nicht jetzt schon sichtbar? Eine weitere Folge dieser Trockenheit dürfte uns Endverbraucher treffen, denn es ist durchaus möglich, dass durch den Einbruch der Ernteerträge am Ende die Preise für Lebensmittel steigen könnten.

René Osselmann, Magdeburg

Falsches Spiel

Der Deutsche Bauernverband, allen voran sein Präsident Rukwied, wird nicht müde, angesichts der diesjährigen Dürre lautstark staatliche Soforthilfen in Milliardenhöhe zu fordern. Dabei wird der Eindruck erweckt, es gehe darum, bäuerliche Familienbetriebe vor dem Ruin zu retten, die Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen und die uns allen vertraute Kulturlandschaft zu bewahren. Ohne Zweifel sind dies alles Argumente, die den Steuerzahler geneigt stimmen sollen, der geforderten Hilfe wohlwollend zuzustimmen.

Dabei zeigt das dem SZ-Artikel beigefügte Foto, wie weit die Realität von der vom Bauernverband gemalten Idylle entfernt ist: Industriell bewirtschaftete Monokulturen, so weit das Auge reicht! Hier geht es nicht um die Rettung bäuerlicher Familienbetriebe, sondern um den "Shareholder Value" großer Agrarkonzerne, die sich - wie etwa die Südzucker AG - vor allem in den östlichen Bundesländern Tausende Hektar gesichert haben, um auf diesen großflächig und ohne Rücksicht auf die Umwelt Raps, Zuckerrüben, Mais und Getreide anzubauen. In der Viehzucht treffen wir auf ähnliche kapitalintensive und umweltschädliche Strukturen mit Tausenden Rindern und Schweinen. Natürlich beeinträchtigt die Dürre den Profit dieser Agrarunternehmen, man fragt sich allerdings, warum diese Konzerne keine Rücklagen gebildet haben, und warum es ein nationales Unglück bedeuten soll, wenn die Südzucker AG einmal keine Dividende ausschütten kann. Was dem einen ein stark gestiegener Ölpreis oder ein abgestürzter Eurokurs ist - ist dem anderen eben ein (teilweiser) Ernteausfall.

Dr. Wolfgang Fischer, München

Schuldenfalle

Werden unsere Landwirte nicht immer wieder in die Schuldenfalle getrieben? Wird ihnen nicht empfohlen, immer weiter zu investieren? Sollen sie nicht größere und teuerere Ställe bauen, in denen noch mehr Rinder gehalten werden können, die mit noch mehr Kraftfutter noch mehr Milch produzieren? Dabei fällt aber Gülle an, die in größeren und teureren Güllebehältern gelagert werden muss. Damit die Menge an Gülle schneller ausgebracht werden kann, sind größere, teurere und schwerere Maschinen notwendig. Mit diesen Maschinen kommt es zur Bodenverdichtung. Regenwasser kann schlechter ins Grundwasser gelangen, Grundwasser bei Trockenheit schlechter nach oben steigen. Auch die Regenwürmer zum Auflockern des Bodens werden geschädigt. Wie sollen die Schuldenberge abgebaut werden, wenn Rücksicht auf Böden, Regenwürmer, Trinkwasser, Umwelt und die Gesundheit der Landwirte genommen werden soll? Muss dann nicht gedüngt, gespritzt und bis zum Anschlag produziert werden? Und wenn der Regen ausbleibt, kommt es zu Ernteausfällen, die Landwirte mit vielen Schulden in den Ruin treiben . Jürgen Haase, Oberau

Menschliche Opfer

Auch wenn Hitze und Auswirkungen aktuell noch nicht an das Jahr 2003 heranreichen, sterben auch im Jahr 2018 aufgrund der Hitze Menschen in Alten- und Pflegeheimen, und doch ist das menschliche Leid bisher (fast) kein Thema für die Medien. Kleinwüchsige Maispflanzen und tote Fische lassen sich einfach besser fotografieren als das stille Sterben in den Altersheimen. Ein einzelner Hitzesommer ist Wetter, viele Hitzesommer und die kontinuierliche menschliche Erderwärmung ist Klimawandel. Es gibt eine erstaunliche Scheu, über die menschlichen Opfer des Wandels, insbesondere auch in Asien und Afrika, zu berichten und zu reden. Wie viele Opfer bringt die jahrzehntelange industriegelenkte Leugnung?

Axel Mayer, Endingen

Fehlende Courage

Frühling, Sommer, Herbst und Winter waren schon immer die Feinde der Landwirtschaft. Das ist aber nicht so schlimm, denn sie hat auch einen sehr starken Freund, unseren Staat und die ihn tragenden Parteien. Dieser Staat hält alle größeren Regulierungen von der Landwirtschaft fern, sei es beim Einsatz von Ackergiften, beim Schutz der Tiere vor der Massentierhaltung oder bei der Verseuchung des Grundwassers: ein wahrhaft liberaler Staat also. Hat die Landwirtschaft aber Einbußen, dann soll dieser Staat nicht mehr so fern von den Agroindustriellen sein, dann haben sie ihn alle ganz lieb. Es ist ja auch das Geld der Steuerzahler, das da angefordert wird von einer Branche, die selbst nicht unerheblich zum Klimawandel beiträgt. Es ist das alte Spiel: Gewinne sind privat, Verluste werden sozialisiert. Jetzt bestünde natürlich die Gelegenheit, Zahlungen an die industriellen Bauern an Maßnahmen zum Gewässer-, Tier-, Klima- und Naturschutz zu binden. Traut sich jemand, den Verursachern der Grundwasserverseuchung die Rechnung zu stellen? Traut sich jemand, den CO₂-Ausstoß der Agrarindustrie wirksam zu senken? Traut sich jemand, die Rinderhaltung, die für eine Menge Methan in der Atmosphäre verantwortlich ist, mit Sanktionen zu belegen? Gibt es eine Partei, die sich das traut?

Manfred Gangkofer, Bremen

© SZ vom 09.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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