Klimawandel und Umweltschutz:Drängende Probleme

Lesezeit: 5 min

Gerichtsurteile zum Klimaschutz aus Deutschland und den Niederlanden verpflichten erstmals Politik und Wirtschaft zum Erreichen von Klimazielen. Leser sind geteilter Meinung, manche befürchten höhere Kosten für die Bürger.

Zu "Energiepolitik: Warme Wohnung gesucht" vom 7. Juni, "Luftverschmutzung: Ach, der Grenzwert!" vom 4. Juni sowie zu " Die Ära der Klimaschutz-Urteile" vom 31. Mai und " Schwarze Woche für das schwarze Gold" vom 28. Mai:

Justiz offenbart Politikversagen

Da die Politik versagt, müssen immer öfters Gerichte eingreifen. So jüngst geschehen durch das Bundesverfassungsgericht und ein Gericht in Den Haag, dass Ölkonzerne zur Senkung von Emissionen verurteilt. Was ist die Ursache hierfür? Politik überlässt der Wirtschaft immer mehr das Feld. Dadurch entfernt sich die Gesellschaft immer mehr von einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft.

Ob die jetzt ergangenen Gerichtsurteile ausreichen werden? Ich bin skeptisch. Ich warte auf den Tag, an dem die Gerichte ein Übergehen der Bereiche wie Gesundheit, Bildung, Energie, öffentlicher Verkehr in die öffentliche Hand fordern. Anders sind die Probleme meines Erachtens nicht mehr zu lösen.

Artur Borst, Tübingen

Gerichte sollen sich zurückhalten

Die in dem Artikel "Die Ära der Klima-Schutz-Urteile" als innovativ und mutig bezeichneten Beschlüsse der Gerichte deuten auf eine gefährliche Tendenz, nämlich die Anmaßung der Judikative, über der Exekutive zu stehen. Grundprinzip staatlicher Gewaltenteilung ist, dass das gewählte Parlament für die Umsetzung politischer Willensbildung in Gesetze zuständig ist. Die Judikative hat die Aufgabe zu überwachen, ob die Gesetze mit der Verfassung beziehungsweise dem Grundgesetz vereinbar sind (Bundesverfassungsgericht) und ob sie eingehalten werden.

Nicht die Gerichte oder die Meinungen von Richtern sind, sondern das Parlament ist für die politische Willensbildung betreffend des Lösungswegs von Problemen zuständig. Inwieweit die aufgrund derzeitiger wissenschaftlicher Erkenntnisse in politischer Willensbildung vereinbarten Pariser Klimabeschlüsse das Weltklima retten können, wird die Zukunft zeigen.

Der deutsche Gesetzgeber hat aufgrund vom Bundesverfassungsgericht als vermeintlich gegen das Grundgesetz verstoßenden Bestandteilen des seinerzeitigen Klimaschutzgesetzes (KSG) unter anderem das Ziel der Klimaneutralität bezüglich der Emissionen von CO₂-Äquivalenten kurzerhand auf fünf Jahre früher als in Paris vereinbart festgesetzt, um dadurch die vermeintliche Verstöße des KSG gegen das Grundgesetz zu beseitigen. Ob dadurch und durch Änderungen der Pfade von Emissionsminderungen die Freiheitsrechte zukünftiger Generationen mehr oder weniger beeinträchtigt werden, darf dahingestellt bleiben.

Jedenfalls wird mit den Zieländerungen den diffusen Wünschen nach Aktivismus Rechnung getragen, wobei konkret über die einschneidenden Maßnahmen nichts ausgesagt wird, die mit der gigantischen Aufgabe der Umstellung der bisher fossil basierten Weltwirtschaft auf CO₂-Emissionsfreiheit verbunden sein werden. Die Politik - der Gesetzgeber - hat sich entschieden, Rahmenbedingungen vorzugeben, von denen sie glaubt, dass sie zu einem Umbau der Wirtschaft, insbesondere der Energieversorgung, innerhalb der Vorgaben des Paris Abkommens führen wird, nämlich Emissionshandel mit abnehmender Menge der Zertifikate, CO₂-Bepreisung, Limitierung von CO₂-Emissionen, Förderung emissionsmindernder Maßnahmen und aussichtsreicher Technologien etc. Dabei soll abhängig vom jeweils Erreichten zeitnah nachjustiert werden, da die Wirkung der Maßnahmen wegen der zahlreichen Abhängigkeiten und Rückkopplungen kaum vorhersehbar sind.

Das Verfassungsgericht fordert in Verkennung der Unsicherheiten die Festlegung konkreter Maßnahmen und übersieht meines Erachtens dabei, dass dies durchaus kontraproduktiv sein kann, denn häufig hat sich bei der Einführung neuer Technologien herausgestellt, dass diese zunächst kaum Wirkung entfalten und sich nach Serienreife rasch durchsetzen, so dass das angestrebte Ziel überraschend schnell erreicht wird.

Die Gerichte sollten sich auf ihre eigene Aufgabe beschränken, nämlich die Einhaltung von Gesetzen zu überwachen und die Gesetze dahingehend überprüfen, ob sie klar gegen die Verfassung verstoßen. Die immer irgendwie mit der Einschränkung von Freiheiten verbundene Gesetzgebung sollte den Parlamenten vorbehalten bleiben und nicht zum erweiterten Tätigkeitsfeld von Gerichten werden.

Dr. Heiko Barske, Seefeld

Energiewende und Sozialwende

Max Hägler kommt in dem Kommentar "Warme Wohnung gesucht" meines Erachtens zu falschen Schlüssen. So stellt er wie viele Menschen die falsche Frage: "Was ist wichtiger - das Klima oder die Biodiversität?" Das ist doch geklärt: Beides ist gleich wichtig! Und es ist beides machbar.

Hauptursache für den dramatischen Rückgang der Biodiversität ist die industrielle Landwirtschaft. Da sind Gründächer ganz nett, aber nicht entscheidend. Der Kampf für mehr Artenvielfalt findet in der freien Landschaft statt. Der Siedlungsraum beeinträchtigt die Artenvielfalt nur dadurch, dass er sich immer weiter ausbreitet. Auch dass der Klimaschutz mit Solardach etc. das Bauen verteuert und deshalb nicht so stark durchgesetzt werden soll, geht am Kern des Problems vorbei: Die reinen Baukosten sind in Deutschland in den zehn Jahren bis 2019 laut IW um 36 Prozent gestiegen, die Baulandkosten dagegen, zum Beispiel Berlin in den fünf Jahren bis 2019 um 345 Prozent. Die reinen Baukosten inklusive Energie-Einsparverordnung etc. machen also nicht einmal zehn Prozent des Preisanstiegs in den Ballungsräumen seit der Finanzkrise aus. Und an diesen zehn Prozent des Problems arbeiten sich die Gegner der Solarpflicht ab, wo sie doch die Wucherpreise des Grundstücksmarktes angreifen sollten, um das "soziale Miteinander" zu stärken.

Nicht der Platz zum Wohnen fehlt, es wird zu viel mit Immobilien spekuliert. Viele Einfamilienhäuser stehen altershalber leer, werden aber nicht verkauft. Die Wohnungsnot der Mieter in Ballungsräumen wird nicht durch den Bau von Einfamilienhäusern in Neubaugebieten gemildert, sondern nur durch Sozialwohnungen auf städtischen Grundstücken, die auch in kommunalem Eigentum bleiben und deren Sozialbindung somit nicht auslaufen kann. So leben zum Beispiel in der Großstadt Wien 60 Prozent der Einwohner dauerhaft in preiswerten städtischen Mietwohnungen.

Es ist doch ganz einfach: Die Energiewende könnte auch eine Sozialwende sein, wenn die Heizkosten keine zweite Miete mehr wären, aber die Investitionen dafür weitgehend vom Eigentümer bezahlt würden.

Stefan Flaig, Marbach/Neckar

Es ist wie Geld oder Leben

Ich konzentriere mich bei meinem Kommentar zu "Warme Wohnung gesucht" auf einen Punkt: Mehrkosten beim Bau. Sicherlich kostet die Installation einer Solaranlage auf jedem neuen Wohnhaus Geld, aber dafür sinken die laufenden Energiekosten durch den Betrieb der Anlage. Im übrigen werden in den nächsten Jahren für alle Haus- und Wohnungsnutzer die Kosten in die Höhe gehen, wenn beispielsweise die bestehende Ölheizung durch eine neue Heizung ersetzt werden muss, die Gasheizung durch eine neue Heizung ersetzt werden muss oder eine Wärmedämmung der Fassaden notwendig werden wird, etc.

Es ist ein Muss, dass kurzfristig massiv die CO₂-Emissionen dauerhaft gesenkt werden. Dass dies ohne Zusatzkosten machbar ist, ist ein Märchen. Und bei der Betonung von kurzfristig: Dies funktioniert erst recht nicht ohne hohe Kosten, nachdem man Jahrzehnte lang fast nichts zur Energieeinsparung geleistet hat (beziehungsweise es wurde die Energie-Einsparung durch Mehrverbrauch für andere Themen überkompensiert).

Fazit: Der Verweis darauf, dass dem Umweltschutz möglicherweise geschadet wird, unterschlägt, dass eine CO₂-Emissionsreduktion unabdingbar ist für den Menschheitsschutz. Je weniger Geld dafür investiert wird, desto gefährdeter ist das mittelfristige Überleben der Menschheit.

Kleiner Seitenhieb: Wer zur Zeit über rentable Geldanlagemöglichkeiten nachdenkt, sollte in die Zukunft investieren und über Energieeinsparmaßnahmen (neue Heizung, Wärmedämmung etc.) nachdenken - dann verschwindet ganz nebenbei auch das Problem der Negativzinsen auf Guthaben.

Erich Würth, München

Autorennen in der Klimakrise?

Von allen Seiten hört und liest man, dass der Verbrauch fossiler Brennstoffe unbedingt reduziert und beendet werden muss, um die Erderwärmung zu stoppen. Die Mobilität geht in Richtung Elektroauto oder gar Wasserstoffantrieb. Daran ist leider nicht zu rütteln, selbst Dieselfahrverbote werden diskutiert.

Aber wie um alles in der Welt passt das dazu, dass immer noch Autorennen mit Benzinern gefahren werden? Allein die circa 25 Staaten in Europa besitzen jeweils mindestens eine oder sogar bis zu 21 Rennstrecken (Spanien), in der Summe also weit über 100 Rennstrecken. Welchen Sinn erfüllen die heute noch? Die Entwicklung von Schmiermitteln, Reifengummimischungen etc. dürfte doch längst abgeschlossen sein.

Michael Kubik, Berlin

© SZ vom 15.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: