Klimawandel:Mut zu Wahrheit

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Im Streitgespräch mit einem Klimaforscher trat Wirtschaftsminister Altmaier einigen Lesern zu zaghaft auf. Die Klimakrise erfordere unpopuläre Maßnahmen, zu denen die Politik voll stehen müsse. Eine Leserin ist enttäuscht über das Klimapaket.

Fridays-for-Future-Demo 2019 an historischer Stelle: Die Rückblicke der Leserinnen und Leser, die uns erreicht haben, decken sich thematisch und in der Bedeutung weitgehend mit den großen Themen der SZ-Berichterstattung: Klimawandel, Brexit und der 30. Jahrestag des Mauerfalls berührten viele Menschen. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Zum Interview " Wir leben nicht auf einer Insel" vom 30. November/1. Dezember:

Unpopuläre Maßnahmen nötig

Im Streitgespräch mit dem Klimaforscher Stefan Rahmstorf versteckt sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier wiederholt hinter anderen: Mal ist es die vermeintlich schwankende öffentliche Meinung zum Klimaschutz, mal lückenhafte Unterstützung in der Politik und mal fehlendes Verständnis von Betroffenen für die Notwendigkeit von entschlossenem Handeln.

Wenn die Regierung den epochalen Charakter der Klimakrise verstanden hat und ausreichendes Verständnis in der Bevölkerung das Haupthindernis für wirkungsvolle Maßnahmen ist, dann müsste uns von jeder Plakatfläche, jedem Marktplatz und jeder Internetseite eine Aufklärungskampagne entgegenprangen, um das Verständnis herzustellen. Dass dem nicht so ist, kann nur heißen, dass Herr Altmaier und seine Kollegen entweder sich nicht die Zeit genommen haben, die Tragweite der Klimakrise zu durchdringen, oder nicht den Mut haben, außergewöhnliche Maßnahmen zur Abwendung einer großen Gefahr zu ergreifen.

James Denman, Berlin

Umweltschutz vor Benzinpreis

Meint Herr Altmaier ernsthaft, man könnte Klima verhandeln? Unsere Umwelt formt die Grundlage unseres Daseins und somit steht sie in jedem Fall, bei jeder Entscheidung an unantastbarer erster Stelle. Sie bildet den Rahmen, in dem wir uns bewegen dürfen, in dem wir streiten dürfen über soziale und wirtschaftliche Fragen. Aber Herr Altmaier stellt die Forderungen der Klimaforscher wie einen Wunsch dar, mit dem noch viele gleichwertige Interessen konkurrieren. Das ist schlicht Leugnung unserer krisenhaften Realität. Wieso verschafft man Leuten, die eine Drei- Cent-Erhöhung von Benzin als "schweren Eingriff in ihren Besitzstand" sehen, mehr Gehör als der demonstrierenden Jugend, die die Klimakrise als Bedrohung für ihre Zukunft sieht?

Marla Ellen Kiefer, Bochum

Nicht wachsen, schrumpfen

Auf Klimagipfeln wurde es schon angedeutet, nur nicht in letzter Konsequenz geäußert: Wir müssen zurück auf den Stand von vor 200 Jahren. Damals gab es bereits einen CO₂-Anstieg. Dieser war noch gering, sodass er durch Wälder hätte kompensiert werden können. Aber schon damals fehlte die dazu notwendige Vegetation. Wahrscheinlich war das Ende der kleinen Eiszeit ein zusätzlicher Faktor in Bezug auf die reduzierte Aufnahme von CO₂. Damals lag die Menschheit (mit 1,1 Milliarden) in etwa beim geforderten CO₂-Fußabdruck von einer Tonne pro Person und Jahr. Heute liegen wir bei zirka fünf Tonnen und sind siebenmal so viele Menschen; also ist die Menschheit mindestens um den Faktor 35 höher bei Emissionen.

Selbst wenn wir das Verbrennen der fossilen Energieträger einstellen, würde es uns nichts nützen, weil wir die Vegetation zu weit reduziert haben und weiter vernichten (sinngemäß Prof. Dr. Hoimar von Ditfurth in 1978). Ob es zu viel CO₂ in der Atmosphäre gibt, ob unsere Wälder kaputt gehen, Plastik- oder Radreifenpartikel die Welt durchströmen, ob andere Lebensformen bedroht, getötet, ja sogar ausgerottet werden oder die natürlichen Vorräte der Erde zu Ende gehen - gleich welches Umweltproblem man auch benennt, all die Formen dieser Umweltbelastungen sind Symptome einer dahinterstehenden Ursache.

Wer jedoch nur an den Symptomen herumdoktert, provoziert immer neue Krankheitserscheinungen an unerwartet anderen Stellen und benimmt sich wie ein medizinischer Stümper, der das Fieber senken will, ohne sich um die zugrunde liegende Ursache zu kümmern, nämlich die Tatsache, dass wir überbevölkert sind (so Ditfurth damals).

Technische Maßnahmen und Verteuerungen zum Schutze von Fauna, Flora und Mensch sind notwendig, aber nicht hinreichend. Tiere sind in der Vergangenheit ausgestorben, weil sie sich veränderten Umweltbedingungen nicht anpassen konnten. Wir aber verfügen über ein Großhirn. Das Verhalten den sich verändernden Umweltbedingungen anzupassen, ist eine notwendige Konsequenz. Wir müssen die instinktive Art des Denkens "Wachstum ist gut für das Überleben" überwinden und uns wieder verstärkt in die Natur einfügen. Gegenwärtig entfernen wir uns immer weiter von ihr.

Rolf Dombrowsky, Dortmund

Mit Fahrtwind auf die Klippe zu

Was Peter Altmaier eigentlich zum Klimapaket der Regierung sagen wollte: Wir wissen zwar, dass wir mit Vollgas auf eine Klippe zurasen, aber wir können nicht bremsen, weil wir den Passagieren den Verzicht auf kühlenden Fahrtwind nicht zumuten können.

Raimund Poppinga, Hannover

© SZ vom 13.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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