Klimaschutz:Die Schülerdemos polarisieren

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Was wiegt höher? Das Anliegen der Jugendlichen, für ihre Zukunft zu demonstrieren oder die Schulbildung, die freitags dann ausfällt. Es gibt viele Leserstimmen pro Demo, auch einige Contra.

Zu "Wie Profis" vom 13. März, "Schüler an die Macht" und "Hausaufgaben" vom 2./3. März:

Schwänzen für die Zukunft

Mit Erstaunen lese ich, dass einige Beiträge sich vehement über das Schuleschwänzen der Schüler beschweren. Unser Verhalten zerstört auf längere Sicht gesehen ihre Zukunft. Wenn Greta Thunberg sagt, "Das Haus brennt", denke ich an Polkappen, Gletscher, Regenwald, Starkregen, Dürrejahr, Überdüngung, Mikroplastik, Verkehrsinfarkt. Im Vergleich zu diesen schleichenden Katastrophen halte ich das Schuleschwänzen für eine Lappalie. Was antworten wir denn mal Enkeln auf die Frage, was wir selbst gegen den Klimawandel unternommen haben? Um meine eigene Betriebsblindheit zu überwinden, habe ich eine erste CO₂-Bilanz unseres Haushalts erstellt - mit dem Ergebnis, dass wir die Umwelt stärker belasten als angenommen. Aber die Bilanz hat uns die Augen für unsere "blinden Flecke" geöffnet, und wir beheben mit vereinten Kräften die wichtigsten Defizite. Sobald wir Verantwortung für unser Handeln übernehmen, finden sich auch Mittel und Wege.

Jürgen Hardkop, Bergisch Gladbach

Durchhalten, bis etwas passiert

Es ist beschämend, wie Politik und Schulbürokratie unsere Kinder mit Verboten und Gängelungen traktieren, was ihren Streik angeht. Dabei geht es um nichts Geringeres als die Zukunft auf unserem geschundenen Planeten. Aber die jungen Menschen sollen funktionieren und am besten die Klappe halten. So oft höre ich aus dem Munde von Verantwortlichen, sie hätten verstanden. Gar nichts verstehen sie, hören ja nicht mal zu, wollen es auch nicht. Ich hoffe, dass die Jugendlichen durchhalten, bis es auch die Letzten kapiert haben.

Frank Stöckle, Esslingen

Politiker unter Druck setzen

Jeder Unternehmer und jeder Verbraucher muss exakt die Kosten tragen, die er verursacht. Nur dieses Grundprinzip der Verantwortung wird unseren geltenden Rechtsgrundsätzen als auch einer wirklichen Marktwirtschaft als auch zukünftigen Generationen gerecht. Klimafreundliches Handeln muss einfach und kostengünstig werden, klimaschädigendes Handeln hingegen unattraktiv und teuer. Ich begrüße es, dass die Schüler (wie auch die mehr als 12 000 Wissenschaftler) ihre Aktion erst dann beenden wollen, wenn die Entscheidungsträger in der Politik dies verstanden haben und mit konkretem Umsetzen beginnen.

Kurt Lennartz, Aachen

Lektion der Jungen

Jungen, engagierten Menschen, denen im Erwachsenenalter das Wasser buchstäblich bis zum Halse stehen wird, jetzt mit dem Schulgesetz zu drohen, ist schon ziemlich absurd. Die jungen Menschen erteilen uns Älteren gerade eine Lektion: Sie sind diejenigen, die den Mut haben, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen. Und dafür auf die Straße gehen. Bravo! Die Schulen sollten sich freitags immer weiter leeren und die Eltern sich an den "Wachrüttelaktionen" mehr und mehr beteiligen, um unsere politische Elite endlich aus dem Tiefschlaf zu holen; denn diese kommt ihren Aufgaben - dem Volk zu dienen - nicht nach, sondern entwickelt Untätigkeit und Selbstbedienung in Höchstform.

Hans Dellinger, Baldham

Verzweifelte Drohungen

Wir wollten, dass die Schüler mehr über Mathematik und Naturwissenschaft lernen. Hat geklappt. Wir wollten sie zu Demokraten erziehen, die den Staat mitgestalten. Hat geklappt. Wir wollten sie zu selbständigen Bürgern erziehen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Hat auch geklappt. Wer soll denn für unser aller Zukunft demonstrieren, wenn nicht diejenigen, die sie zu ertragen haben? Kultusminister und Schulräte drohen mit Einträgen ins Klassenbuch. Was wollen sie denn tun? Zehntausenden Schülern Sechsen geben? Heraus ragt der Vorschlag der Kultusministerin Baden-Württembergs, Susanne Eisenmann: Man solle den Klimawandel im Unterricht besprechen. Das machen die Lehrer dann idealerweise am Freitag, denn diejenigen, die den Unterricht ,,schwänzen'', versäumen dann nichts, weil sie es schon wissen.

Raimund Poppinga, Hannover

Wichtige Zivilcourage

In den Kommentaren zu den Schülerstreiks "Fridays for Future" geht es viel zu sehr um die Frage, ob es erlaubt sein soll, die Schule zu schwänzen für seine Anliegen. Die einen mahnen die Pflicht zur Bildung an, die anderen fordern gönnerhaft, die Strafen für diese Aktionen auszusetzen. Was beide Seiten verkennen: Die Schüler sind über diese Diskussion längst hinaus. Sie zeigen Zivilcourage, sind bereit, Regeln zu brechen und Strafen auf sich zu nehmen für etwas, das einen höheren Wert darstellt: Die Zukunft unseres Planeten.

SZ-Zeichnung: Denis Metz (Foto: N/A)

Karin Brückner, Augsburg

Sozial verträgliche"Protestchen"

Nein, ich kann die Streiks am Freitag zur Schulzeit nicht unterstützen. Die Sache ist wichtig, das Mittel ist falsch. Es stört mich, dass das Gut Bildung, das bei uns so selbstverständlich ist, so verächtlich mit Füßen getreten wird. Es stört mich auch, dass Politiker nicht auf den Wert der Bildung verweisen. "Viele" arbeiten den Stoff selbständig nach, heißt es, viele aber auch nicht! Für viele steht nicht der Klimaschutz im Vordergrund, sondern der schulfreie Vormittag. Dann doch bitte tatsächlich die regelmäßige Demo am Nachmittag, auch wenn dann Freizeit, Sport und andere Vergnügungen zurückstehen. Greta Thunberg reist also in den Ferien durch Europa, um streikende Schülerinnen und Schüler zu unterstützen. Wenn die Eltern den Protest ihrer Kinder durch Krankmeldungen für den Unterricht unterstützen, verkommt die Demo zum sozial verträglichen und geschützten "Protestchen".

Heide Monheimius-Strack, München

Besser am Nachmittag

Wird das Ganze nicht maßlos überhöht? Nichts gegen politisches Engagement von Jugendlichen. Das ist aber nur valide, wenn etwas eingebracht wird. Wer sich hingegen der Schulpflicht entzieht, bringt nichts ein, sondern nimmt sich etwas, nämlich schulfrei. Anders etwa der Aufmarsch an einem sonnigen Samstagvormittag. So gesehen ist das verständnisvolle Nicken der Bundeskanzlerin eher unverständlich, um nicht zu sagen populistisch.

Christoph Schönberger, Aachen

© SZ vom 16.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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