Kirche:Lippenbekenntnisse

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Ein Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen im Bistum Aachen erzürnt einige Leser. Die schönen Reden zur Besserung seien Makulatur, heißt es. Eine Leserin erinnert an ausführliche Entschuldigungen zu den Geschehnissen aus den 90er-Jahren.

Kaiserdom in der Aachener Innenstadt, 1978 das erste deutsche Denkmal in der Liste des Unesco-Weltkulturerbes. (Foto: dpa/Bearbeitung:SZ)

Zu " Auf der falschen Seite" und " Unheilige Kirche" vom 13. November, " Schwere Vorwürfe gegen frühere Amtsträger im Bistum Aachen", seit 12. November auf sz.de, sowie zu " Gutachten bleibt unter Verschluss" vom 31. Oktober/1. November:

Luther ist wichtiger denn je!

Ausgerechnet beim Lesen der Samstagausgabe am Reformationstag: Kardinal Woelki will Gutachten über sexuelle Missstände im Bistum Köln nicht herausgeben. Zum Glück gab es vor 500 Jahren einen Mann namens Martin Luther. Und dann im Fernsehen - 3 sat - passend dazu der Luther-Film und der großartige Film über Katharina Luther von Julia von Heinz. Nein, Martin Luther war wirklich kein "Heiliger", aber doch für uns heute wichtiger denn je!

Friedrich Buchholz, Lauffen

Kirche soll die Archive öffnen

Es ist eine Schande! Die Kirche hat nichts, aber auch gar nichts verstanden. All die Lippenbekenntnisse, dass man um Aufklärung bemüht sei, dass man Wiedergutmachung leisten wolle, sind Makulatur. Die Kirche beschützt bis heute die Täter und verhöhnt damit die Opfer. Die Kirchenoberen erscheinen satt und selbstgerecht, sie beschönigen und verschleiern. Oder wie soll man das Gejammer aus dem Bistum Köln sonst verstehen? "Geht es nicht freundlicher? Mit mehr Distanz? Warum berücksichtigt ihr nicht die Zeitumstände? Es war doch nicht alles schlecht!"

Sicher, man kann vieles berücksichtigen, aber beim Missbrauch von Kindern hört es auf! Punkt! Da gibt es nichts zu berücksichtigen, da zählen keine Zeitumstände und ja, bei Missbrauch von Kindern durch Priester ist alles schlecht. Das sollten sich die Würdenträger Woelki (Köln), von Holtum und Mussinghoff (Aachen) hinter die Ohren schreiben, endlich die Archive öffnen und die Täter öffentlich machen.

Solange die katholische Kirche nach Art der Mafia herumlaviert, nach Ausflüchten sucht und sich weigert, ehrlich und schonungslos aufzuklären, solange bleibt sie unglaubwürdig und verstößt gegen ihre eigenen Regeln und Gebote, die sie den Gläubigen abverlangt.

Wäre man nicht dem Glauben verpflichtet, müsste man, wie viele andere, aus der Kirche austreten. Noch sträubt sich etwas dagegen, aber Ärger und Unverständnis sind groß. Die Aussicht auf eine Besinnung ist angesichts der Reaktionen aus Köln gering.

Josef Geier, Eging am See

Täter- statt Opferschutz

Es ist erschreckend, wie die katholische Kirche (bisweilen auch die evangelische) mit diesen endlosen und immer wiederkehrenden, schändlichen Vorwürfen umgeht. Opfer sind Gefährder, Täter sind Diener einer Kirche, die nicht beschädigt werden soll. Es ist wirklich schmerzhaft. Alles Gerede der Kirchenführer, angefangen vom römischen Bischof, ist nur Schall und Rauch. Eine Schande für die zivilisierte Menschengemeinschaft. Diese Kirche will Moral lehren, sogenannte Ungläubige mit ihrem Absolutheitsanspruch bekehren.

Joachim Fischer, Bad Abbach

Der Bischof hat sich entschuldigt

Dass in diesen fürchterlichen Verbrechen nichts zu beschönigen ist, steht außer Frage. Aber: Ich erwarte eine ehrliche Aufklärung und ehrliche und vollständige Wiedergabe von dem, was zum Beispiel Bischof Heinrich Mussinghoff und Generalvikar Manfred von Holtum zu ihrem Verhalten damals äußerten. Ein Journalist kann sich doch nicht aus Informationen, die ihm vorliegen, nur das herausnehmen, was ihm persönlich von Bedeutung ist. Herr Drobinski gibt in seinem Kommentar "Unheilige Kirche" eine Antwort von Bischof Mussinghoff zum Beispiel so wieder: "Ja, es gab Fehler, so war die Zeit. Aber ich persönlich? Auf keinen Fall!" ... und etwas weiter: "Der Aachener Bischof ... durchbrach aber letztlich nicht das System, ihm fehlte der Mut dazu. Dass er bis heute keinen Fehler zugeben kann, zeigt, wie stark dieses System noch ist."

Am 9. November las ich das in der Aachener Zeitung im Bericht von Peter Pappert anders. Hier wird Mussinghoff unter anderem auch aus dem Jahre 1995 an eine betroffene Gemeinde folgendermaßen zitiert: "Ich bedaure zutiefst, wenn das Bistum nicht immer sensibel genug auf die Situation reagiert hat. Ich bitte um Verzeihung für das, was geschehen ist ..." oder: "Ich bedaure zutiefst, dass durch einen Priester unseres Bistums jungen Menschen und Familien schwerer Schaden und seelisches Leid zugeführt worden ist; Wunden, die ein Leben lang bleiben." ... "Mit körperlicher ging seelische Gewalt einher, die vielen Betroffenen enorme psychische Schäden zugefügt hat." Es wird ebenfalls berichtet, dass Mussinghoff zugibt und sich entschuldigt dafür, dass er mit den Opfern nicht gesprochen hat. "Ich hätte mir nicht zugetraut, sachgemäß mit ihnen zu sprechen. " So haben er und sein Generalvikar von Holtum eine Expertenkommission aus Psycho- und Traumatherapeuten sowie Juristen einrichten lassen.

Ich denke, dass man daraus deutlich entnehmen kann, dass das Aachener Bistum mit Mussinghoff und Holtum nicht untätig war und dass die Äußerung in dem SZ-Kommentar: Der Aachener Bischof Mussinghoff kann keine Fehler zugeben, zum Beispiel, dann so nicht stimmt.

Paula Schipperges, Nideggen

© SZ vom 17.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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