Katholische Kirche:Den Missbrauch weltlich aufarbeiten

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Die Rolle der Kirche bei der Aufklärung der Skandale um sexuelle Vergehen an Minderjährigen erzürnt die SZ-Leser. Viele fordern rigorose Aufklärung vor Gericht, manche gar Schadenersatz.

SZ-Zeichnung: Jan Rieckhoff (Foto: N/A)

"Verzagt, versagt" vom 14. März, "Bewährung für den Kardinal" vom 8. März, "Richtlinien gegen den Teufel" und "Jenseits von Babylon" vom 25. Februar, "Besuch vom Staatsanwalt" vom 22. Februar und ,,Recht auf Doppelmoral" vom 21. Februar:

Volle Hosen

Treffender kann man das Verhalten der Führung der katholischen Kirche angesichts der Nicht-Aufarbeitung des skandalösen Missbrauchgeschehens nicht geißeln als mit der Überschrift "Verzagt, Versagt". Dieses Urteil gilt sowohl hinsichtlich des Vertuschens, Verschweigens als auch hinsichtlich der fehlenden Perspektive auf grundlegende Reformen und adäquate Entschädigung der Opfer. Wo aber bleiben andererseits die lautstarken Simmen der Kirchenoberen, die auf den tagtäglichen, mühevollen Einsatz unzähliger untadeliger Priester, Ordensleute und Mitarbeiter, ja natürlich auch Mitarbeiterinnen, der Kirchen nicht nur für den einzelnen Gläubigen sondern für die gesamte Gesellschaft in Stadt und Land hinweisen? Wer stellt sich von unseren Bischöfen und Kardinälen mutig vor das eigene Personal? Wo bleiben Anerkennung und Motivation zum Weitermachen? Man hört nichts. Was nützen aber die schönen Talare dieser Herren, wenn sie neben Verdrucktheit und Schuldbewusstsein nur volle Hosen verbergen?

Dr. Ludwig Kippes, Puchheim

Keine Parallelgerichte

Mich interessiert als deutschen Staatsbürger nicht, ob die katholische Kirche auf die sexualisierte Gewalt in ihren Reihen mit einem verbindlichen "synodalen "Weg" reagieren will. Sondern ganz allein, ob sie bereit ist, sich unserem Rechtsstaat unterzuordnen, und sexuellen Missbrauch und seine Vertuschung als Straftatbestände im Rahmen der entsprechenden Paragrafen unseres Strafgesetzbuchs anzuerkennen oder nicht. Womöglich eine eigene Verwaltungsgerichtsbarkeit zu etablieren, die zum Beispiel den sexuellen Missbrauch von Kindern (und Jugendlichen) nicht mehr als stets zu verfolgendes Offizialdelikt einstuft, sondern es ins Belieben kirchlicher Parallelgerichte stellt, ob dieser Straftatbestand juristisch verfolgt wird oder nicht. Was darauf hindeutet, dass den Oberen der katholischen Amtskirche gar nicht daran gelegen ist, sexuellen Missbrauch nach den Regeln unseres Rechtsstaats zu bestrafen. Weil sie dann die Männer als Priesterkandidaten verlieren würde, die nicht fähig sind, ein Sexualleben mit gleichrangigen Partnern zu führen, sondern dazu den Zölibat benötigen, der ihnen die Macht über andere verleiht?

Josef Gegenfurtner, Schwabmünchen

Schadenersatz fordern

Weshalb kommt eigentlich in Deutschland niemand von den Missbrauchsopfern beziehungsweise den sie unterstützenden Einrichtungen auf die Idee, Klage vor dem jeweils zuständigen Landgericht auf Schadenersatz zu erheben. Die zivilrechtliche Verjährung ist nach deutschem Recht nur eine Einrede. Der auf Grund des Missbrauchs entstandene Schadenersatzanspruch erlischt nämlich nicht und kann geltend gemacht werden, wenn - ja wenn - die Kirche auf die Geltendmachung der Einrede der Verjährung verzichtet. In Anbetracht des gewaltigen Ausmaßes des verursachten materiellen und immateriellen Schadens wäre alles andere doch - zutiefst unanständig. Und auch dem Rechtsfrieden, dem Ziel der Verjährung, wäre in diesen Fällen so besser Genüge getan.

Helmur Knett, Regensburg

Akten der Täter herausgeben

Der Drang, kleine Kinder zu schänden kommt nicht vom Teufel, sondern von den Trieben, die missgeleitet sind. Der Zwang, sein sexuelles Verlangen nicht ausleben zu dürfen pervertiert darin, sich sexuell an Kindern zu befriedigen, die ebenso, aber aus natürlichen Gründen, keinen Sex haben sollen. Und wie sehr die Kirche das Gerede darüber und die sogenannte Aufklärung nun weiter erregt ist zu mutmaßen. Alle Aufklärung dieser Verbrechen gehört in die Hände der Staatsanwaltschaft, und die Täter verurteilt nach weltlichem Recht - sofort. Je länger die Kirche sich in Demut vor den Opfern neigt und in so offensichtlich gehaltener scheinheiliger Buße und Selbstmitleid befindet, desto mehr misstraut man dem Willen nach Aufklärung im Diesseits. Wann man die Akten der Täter herausrückt ist die Frage, sicher aber das Gebot!

Claudia Rieg-Appleson, München

Nur leere Worte

Eine sehr illustre Gesellschaft der Ewiggestrigen traf sich um Papst Franziskus im Vatikanstaat. Der Pontifex darf und kann nicht, die "ultra-grauzonigen" Eminenzen aus dem Mittelalter, die wollen hingegen absolut nicht! Außer Spesen und leeren Worten überhaupt nichts gewesen. Wer sich mit dem "erzkatholischen" Vatikan anlegen will, der beißt, wie so oft, nur auf Granit! Riggi Schwarz, Büchenbach

Kirche ist mehr

Wir machen es uns zu einfach, wenn wir die katholische Kirche auf eine Instanz der sexuellen Doppelmoral reduzieren. Katholische Kirche sind vor allem auch die zahlreichen Nonnen, Mönche und Priester, die tatsächlich Tag für Tag ihr Leben in den Dienst an ihren Mitmenschen stellen. Diesen Menschen ist eines gemein: Sie haben in ihrem tiefen Glauben und tatsächlich auch im Zölibat eine spirituelle Ebene gefunden, die es möglich macht, Glück darin zu finden, für andere da zu sein. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Ich bin dankbar, dass es diese Instanz gibt, in der solche Menschen uns ein Vorbild sind. Gerade auch in Zeiten, wo Egoismus, Konsum, sexuelle Beliebigkeit zum Alltag geworden sind. Mit sexueller Beliebigkeit meine ich übrigens nicht die Enttabuisierung von Homosexualität. Aber ich meine zum Beispiel den unkomplizierten und breiten Konsum von pornografischem Material im Internet. Da lob ich mir den Gegenpol der katholischen Kirche, die Enthaltsamkeit predigt (auch wenn ihre Mitglieder teils tragisch daran scheitern). Geben wir der Kirche doch bitte die Zeit, die sie braucht. Es wird mehr sein, als wir denken!

Dr. Bernhard Hoppe, München

Ohne Religion wäre es besser

Jahrhundertelang Machtmissbrauch und Lügen! Schämt Euch alle, ihr Wegseher, ihr Leisetreter, ihr Vertuscher, ihr Verharmloser, Verdränger und Mitläufer! Ohne Religion wären wir alle viel besser dran - werdet gottlos glücklich! Der Ratschlag von Kurt Tucholsky ist aktueller denn je: "Tretet aus der Kirche aus! Tretet aus der Kirche aus! Tretet aus der Kirche aus!"

Peter Flemming, Bad Tölz

Worte von Johannes Paul II.

Sie berichteten von der Bischofskonferenz in Rom zur sexualisierten Gewalt gegen Schutzbefohlene. Leider verschweigen Sie, was wir auf dem Weltjugendtag in Toronto am 28. Juli 2002 gemeinsam mit 800 000 jungen Christen aus aller Welt live erlebt haben: Als Papst Johannes Paul II. zur Predigt während seines letzten Weltjugendtages anhob, las er nicht vom Manuskript ab, sondern predigte frei und bat alle jungen Christen um Vergebung für die Sünden der Kirchenvertreter - auch für sexualisierte Gewalt von Klerikern! Damit erneuerte er, was er als erster Papst der Geschichte überhaupt in den Karfreitagsfürbitten des Jahres 2000 formuliert hatte: Die sündige Kirche bittet um Vergebung. Zugleich bat er in Toronto den Nachwuchs der Kirche darum, es besser zu machen "als wir Alten: Lebt das Evangelium Christi!" Er sagte auch: "Laßt euch nicht entmutigen durch die Sünden und Verfehlungen mancher Söhne unserer Kirche. Der von einigen Priestern und Ordensmännern angerichtete Schaden an jungen oder zerbrechlichen Menschen erfüllt uns alle mit einem Gefühl tiefer Traurigkeit und Scham."

Wenn fast alle Medien beklagen, es mangle der Kirchenleitung an glaubwürdigem Eingeständnis ihrer Schuld, sollte dieses Zitat von vor 17 Jahren vor 800 000 Zeugen bitte nicht unterschlagen werden.

Martin und Norbert Schrörs, Fabian und Kristina Hunke, Knud Schmidt, Felix Evers, Eutin

© SZ vom 22.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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