Kardinal Müller:Eine Frage des Anstands

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Der Aufruf des ehemaligen Bischofs von Regensburg und weiterer Geistlicher, der die Pandemie verharmlost und im Zuge der Einschränkung von Grundrechten vor der Schaffung einer "Weltregierung" warnt, stößt auf Unverständnis.

Zu " Profil: Gerhard Ludwig Müller" vom 13. Mai sowie zu " Kardinal Müller hält Corona für Vorwand" vom 9./10. Mai:

Kardinal Müller und Mitbrüder in seinem Geiste stellen die Behauptung auf, die von der Politik getroffenen Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie stellen den "Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht" dar. Es wird in dem als Aufruf titulierten Schreiben ein Plan unterstellt, "mit Hilfe dessen uns die Mächtigen der Erde beugen wollen". In Gesellschaft mit Weltverschwörern jedweder Couleur unterstellen die Autoren, es werde in großem Stil versucht, Autorität ohne jede sachliche Legitimierung zum Machtmissbrauch zu benutzen. Interessant, dass die Autoren selbst ihren Beitrag mit dem Hinweis auf ihre kirchliche Machtstellung beginnen: "... erachten wir Hirten der katholischen Kirche, aufgrund unseres Auftrags, es als unsere heilige Pflicht ..." Die dann folgenden haarsträubenden Behauptungen werden ohne sachliche Begründung apodiktisch benannt. Man soll sie ihnen deshalb glauben, weil sie Autorität in Anspruch nehmen - genau das, was sie der Politik im Umgang mit Corona vorwerfen.

In der Tiefenpsychologie ist es hinlänglich bekannt, dass oft das, was anderen unterstellt und bei diesen bekämpft wird, mehr mit dem eigenen Innenleben als mit der äußeren Realität zu tun hat. Projektion ist der Fachbegriff hierfür. So ist in dem Schreiben ohne Quellenverweis plötzlich von Impfstoffen die Rede, "zu deren Herstellung Material von abgetriebenen Föten verwendet wird". Oder: Es wird ein politisches Ziel der "drastischen Bevölkerungsreduzierung" fraglos unterstellt. Offensichtlich wird der Machtanspruch der Autoren in einer vergangen geglaubten Konkurrenz von weltlicher und kirchlicher Einflusssphäre: "Der Staat hat keinerlei Recht, sich ... in die Souveränität der Kirche einzumischen", fordern sie.

Zwei gescheiterte Kirchenfürsten, der ehemalige Nuntius Viganò, der den Papst schon mal zum Amtsverzicht aufgefordert hat, und Kardinal Müller, dessen Amtszeit als Präfekt der Glaubenskongregation vom Papst nicht verlängert wurde, spielen sich als "Hirten, die für die Herde des Herrn verantwortlich sind", auf. Sie präsentieren sich als angeblich bessere Interpreten und Ratgeber im Umgang mit der Pandemie als der von ihnen gering geschätzte Papst Franziskus. Mit der Sorge eines guten Hirten rein gar nichts mehr zu tun hat es, wenn sie die Entwicklung von Impfstoffen infrage stellen, indem sie deren Wirksamkeit anzweifeln und dies mit Profitinteressen der Pharmaindustrie begründen.

Wenn Müller und seine Mitstreiter mit ihren kruden Spekulationen dazu beitragen, die Impfung als lebensrettende Maßnahme zu diskreditieren, so versündigen sich diese "Gottesmänner" am Schutz des Lebens.

Dr. Wilhelm Pecher, München

Es ist eine Frage des Anstandes und des Charakters, wie der von Papst Franziskus entlassene Kurienkardinal Müller die katholische Kirche in der Presse diffamiert. Statt vor der eigenen Tür zu kehren, kritisiert er Papst Franziskus scharf, weil er wegen der Covid-19-Epidemie Gottesdienste verboten hat. Politikern auf der ganzen Welt unterstellt er, unter dem Vorwand der Corona-Krise Bürgerrechte einzuschränken. Er spricht von Kräften, die daran interessiert seien, in der Bevölkerung Panik zu erzeugen, um damit die Freiheit zu begrenzen und alle Bürger zu kontrollieren. Er zweifelt an der Ansteckungsgefahr von Covid-19 - er weiß es besser als alle Wissenschaftler der Welt?!

Dipl.-Ing. Univ.Johann Nußbaum, Rimsting

Müller hat früher als Bischof von Regensburg emeritierten Pfarrern zeitweise die Pension gekürzt, wenn diese sich nicht so geäußert haben, wie er es von ihnen wollte. Müller bekommt wahrscheinlich Pension als Ex-Professor und Ex-Bischof. Er wird aufgrund seines früheren Verhaltens Verständnis dafür haben, wenn ihm seine Pensionen nun gleichfalls gekürzt werden. Denn als staatlicher Beamter und vereidigter Bischof darf er nicht staats- und kirchenschädliche Verschwörungstheorien verbreiten, damit das Staat-Kirche-Verhältnis beschädigen und demokratiefeindliche Positionen verkünden. Zur Pensionskürzung sollten meines Erachtens noch langjähriges Bußschweigen und Publikationsverbot kommen.

Axel Stark, Passau

Statt Pamphlete über Kardinal Müller sollte die SZ den "Aufruf für die Kirche und die Welt" veröffentlichen. Dieser richtet sich an Bürger und politisch Verantwortliche mit der Forderung, Einschränkungen der persönlichen Freiheit abzulehnen, sich straffrei drohender Impfpflicht zu entziehen sowie Tracing-Systeme nicht zu benutzen.

Marieluise Fieger-Besdziek, Freiburg

© SZ vom 20.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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