Insektensterben:Zu wenig Ökolandbau

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Warum sterben die Insekten? Das hat vielfältige Ursachen, meint ein Leser, der an der TU München zum Thema Biodiversität forscht. Sicher sei nur eines: Der Biolandbau lässt auch die Insekten leben. Ein anderer Leser fordert eine Abgabe auf Pestizide.

"Von wegen Ungeziefer" vom 4./5. November: Als Ursachen des großflächigen Rückgangs der Insekten werden in der aktuellen Berichterstattung in erster Linie Pflanzenschutz und Stickstoffdüngung genannt. Einzelnen Insektizidgruppen wie den Neonikotinoiden wird dabei eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Sicher spielt die direkte Bekämpfung eine wichtige Rolle beim Schwund der Insekten, die Ursachen sind aber wesentlich vielschichtiger. Ein bisher kaum berücksichtigter Faktor für die Abnahme der Blütenbesucher ist, dass es in der aktuellen Kulturlandschaft kaum noch Blüten gibt, die die Tiere als Nektar- und Pollenquellen nutzen könnten. Futterwiesen werden vier- bis fünfmal gemäht, um die Nutztiere ausreichend mit leicht verdaulichen Proteinen zu versorgen. Dies führt dazu, dass die oft schnittempfindlichen Bestäuberpflanzen zurückgehen. Zudem kommen viele dieser Arten bei häufiger Mahd erst gar nicht zur Blüte. Auf Ackerflächen werden mit Getreide und Mais bis zu 100 Prozent grasartige Kulturpflanzen angebaut. Diese sind wind- oder selbstbestäubte Pflanzen und somit für Blütenbesucher uninteressant.

Durch Anpassung der Flurstücke an immer größere landwirtschaftliche Maschinen werden zudem auch Raine und Hecken in der Agrarlandschaft immer seltener. In den Abstandsstreifen zwischen den Äckern finden sich fast nur noch Gräser, die wie die Ackerkulturen unempfindlich gegen die zur Unkrautbekämpfung eingesetzten Herbizide sind. Mit dem Rückgang der Blütenbesucher wird auch vielen anderen Tieren die Lebensgrundlage entzogen. Neben Spinnen zählen dazu Vögel wie Feldlerche, Goldammer oder Rebhuhn.

Es ist also die allgemeine Intensivierung der Landbewirtschaftung, die den Insekten und vielen anderen Tieren und Pflanzen in der heutigen Kulturlandschaft die Lebensgrundlage entzieht. Substanzielle Verbesserungen für die Insekten werden erst dann erreicht, wenn man auch deren Nahrungsgrundlage und den gesamten Komplex der Landnutzung in die Konzeption nachhaltiger Bewirtschaftungssysteme einbezieht.

Ökologischer Landbau, die europaweit geförderten Blühstreifen und andere Programme zur Extensivierung der Landnutzung können hier Verbesserungen bringen, diese Maßnahmen sind aber flächenmäßig noch viel zu unbedeutend, um die Gesamtsituation entscheidend zu beeinflussen.

Dr. Harald Albrecht, Moosburg Lehrstuhl für Renaturierungsökologie TU München-Weihenstephan

Abgabe auf Pestizide

"Neuer Ärger für Monsanto" vom 2. November: Zugelassene Pestizide kontaminieren benachbarte Ackerflächen des Öko-landbaus und dürften die Artenvielfalt bei Wildpflanzen und Insekten beeinträchtigen. Überfällig sind Ausgleichsmaßnahmen und eine Abgabe auf Pestizide, um einen Entschädigungsfonds aufzubauen. Falls Pestizide so schwierig zu handhaben sind, dass Monsanto bei Anwendern womöglich ein Chemiestudium voraussetzen muss, widerspricht das der behaupteten Harmlosigkeit. Hat die Menschheit aus den Erfahrungen mit Asbest, Contergan oder Lindan nicht gelernt, dass Vermeidung der beste Schutz von Gesundheit und Umwelt ist?

Rolf Sintram, Lübeck

© SZ vom 15.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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