Inflation:Was EZB und Politik tun können

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Preissteigerungen von fast vier Prozent ist Europa nicht mehr gewohnt. Aber was bedeutet das? Gesundes Aufholen, weil die Konjunktur nach Corona wieder anspringt? Oder eine gefährliche Entwicklung? Unterschiedliche Ansichten.

Zu " Milliarden mit Immobilien" vom 2. September, " Wir müssen uns Sorgen machen" vom 31. August und zu " Die gute Inflation" vom 30. August:

Ich denke, es ist höchste Zeit, sich der ultra-lockeren Geldpolitik der EZB entgegenzustellen. Das Argument, damit würde die wirtschaftliche Erholung in der Euro-Zone gefährdet, wird durch die Analyse von Herrn Brinkmann - wonach "der Wirtschaftskreislauf aufdreht" - widerlegt; und wer glaubt im Ernst, eine moderate Leitzinserhöhung von 0,5 Prozent würde den von ihm so ausdrucksstark beschriebenen Nach-Corona-Aufschwung abwürgen?

Es geht darum, Inflationserwartungen im Entstehen zu verhindern, und das könnte die EZB derzeit noch schnell und mit wenigen Nebenwirkungen erreichen. Dass diese Erwartungen bei sehr realistischen Inflationsraten von rund fünf Prozent zum Jahresende 2021 rapide nach oben gehen werden, zeigen bereits jetzt die Lohnforderungen in den laufenden Tarifverhandlungen sowie die teilweise exzessiven Preissteigerungen bei Vor- und Zwischenprodukten des Konsums. Die Saat aus der (seit 2013!) lockeren Geldpolitik und einer expansiven Fiskalpolitik der vergangenen beiden Jahre geht auf. Sind diese Inflationserwartungen aber erst einmal verfestigt, wird eine harte und andauernde geldpolitische Notbremse erforderlich werden.

Dass geldpolitische Maßnahmen nur mit erheblichen Zeitverzögerungen wirken hat sich in der Vergangenheit zur Genüge bewiesen. Nicht ein baldiges, aber moderates, Umsteuern der EZB würde unseren Wohlstand gefährden, sondern ein Verfestigen der Inflationstendenzen.

Eine de facto schon feststehende Inflationsrate von gut drei Prozent im Jahr 2021 bedeutet schließlich, dass die Verbraucher real um drei Prozent ärmer geworden sind. Es profitieren Aktienbesitzer, Immobilienbesitzer und nicht zuletzt die hoch verschuldeten Staatshaushalte in Europa - ein Schuft, wer Schlechtes dabei denkt.

Eugen Schuhmair, Gundelfingen

Die Inflationsrate wird seit Jahren mit ein bis zwei Prozent angegeben. Sie wird ermittelt aus den Ausgaben eines Normalverdieners für Wohnen Essen, Kleidung, Urlaub etc., obwohl die Notenbanken unermessliche Geldmengen in den Markt pumpen. Dieses Geld kommt aber nicht beim Normalverdiener an, sein verfügbares Einkommen steigt nur langsam, so auch die Preise für seine Ausgaben und damit die sogenannte Inflationsrate. Ganz anders bei Gütern, die nicht reproduzierbar sind, zum Beispiel Kunstwerke oder Grundstücken. Die Inflationsrate für diese Güter schätze ich auf sieben Prozent, das entspricht einer Verdoppelung der Preise alle zehn Jahre.

Wo diese zwei völlig verschiedenen Preisentwicklungen aufeinanderstoßen, gibt es Reibung: Es ist völlig unvorstellbar, dass bei explodierenden Grundstückspreisen die Mieten "bezahlbar" bleiben. Der Staat kann da nur wenig gegensteuern, aber als erste Bremse empfiehlt sich: Es dürfen keine Immobilien im Besitz der öffentlichen Hand (auch die Bahn!) mehr verkauft werden. Es ist meines Erachtens ein Skandal, dass Wohnungen aus öffentlichem Eigentum anlässlich der Bankenkrise oder von der Stadt München verkauft wurden. Auch Neubaugebiete, die von Gemeinden im Einheimischenmodell verkauft werden, dürfen in Zukunft nur noch in Erbpacht vergeben werden. Damit sich alle Gebietskörperschaften daran halten, muss das in den Verfassungen verankert werden.

Dr. Herbert Kurz, Starnberg

© SZ vom 14.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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