Humboldt Forum:Das Kreuz mit der Kniebeuge

Angemessen oder anmaßend? An dem privat finanzierten Kreuz plus biblischer Inschrift, welche nun auf der Kuppel des Humboldt-Forums in Berlin installiert wurden, scheiden sich nicht nur in der Hauptstadt die Geister.

A general view shows the Humboldtforum in Berlin

Angemessen oder anmaßend? An Kreuz und biblischer Inschrift auf der rekonstruierten Kuppel des Berliner Humboldt Forums scheiden sich die Geister.

(Foto: Fabrizio Bensch/Reuters)

"Das Kreuz thront auf dem Berliner Stadtschloss" vom 30./31. Mai/1. Juni, "Die unmögliche Inschrift" vom 23./24. Mai:

Provozierendes Maß

Jens Bisky überzieht in seiner mit Mutmaßungen angereicherten Kritik an der "unmöglichen Inschrift". Mit einem unverstellten Blick in die Bibel hätte er feststellen können, dass der Satz sich nicht nur an Bibelverse anlehnt, sondern ein prominentes wörtliches Zitat des Apostels Paulus in Phil 2,10 (Lutherübersetzung) enthält. Was immer sich König Friedrich Wilhelm IV. "höchstselbst" dabei gedacht hat, "dass in dem Namen Jesu sich beugen aller derer Knie, die im Himmel und auf der Erde und unter der Erde sind", möglicherweise Triumphalistisches, auch gegenüber anderen Religionen; an der ursprünglichen Bedeutung kann man nicht rütteln. Denn Paulus bezieht sich ausdrücklich auf die Erniedrigung Jesu durch seine Kreuzigung und übt scharfe Kritik an jeder irdischen Macht, die sich in Selbstüberschätzung zur letzten Instanz aufwirft. Auf diese Rückbindung an den gekreuzigten Jesus sind auch und gerade die Kirchen verpflichtet. Ich begrüße es, wenn mitten in einer Regierungshauptstadt dieser Satz als mögliches kritisches und provozierendes Maß politischen und ökonomischen Handelns weithin sichtbar wird. Das Bekenntnis zur eigenen Relativität und die Bereitschaft, einen humanen Dienst zu leisten, scheinen mir für einen "Ort des Austauschs, der Vielstimmigkeit und globalen Diversität" wie das Humboldt-Forum durchaus angemessen, sofern das auch praktiziert wird.

Ilsetraud Ix, Pulheim

Nicht hinnehmbar

Das Projekt Humboldt Forum, von vornherein umstritten, wurde durch den Bundestag vorfinanziert. Das Kreuz und diese Inschrift zahlt nun die Industriellenerbin Maren Otto. Generalintendant Hartmut Dorgerloh von der Stiftung Humboldt Forum rudert zwar zurück und will Kreuz und Inschrift in der Ausstellung kommentieren, jedoch sieht man das Kreuz bereits von Weitem, es wird auf Zigtausenden Touristenfotos auftauchen, die Kommentierung und zum Beispiel die buddhistischen Kulthöhlen in der Ausstellung nicht. Die demokratische legitimierte Vorfinanzierung des Projekts durch den Bundestag, die die privat finanzierte Kuppel zwar prinzipiell genehmigte, das Kreuz explizit aber nicht erwähnte, wird durch das finanzielle Herausschneiden der Installation des Kreuzes aus dem Gesamtetat ad absurdum geführt. Motto dieser Salamitaktik: Teile und herrsche! Dieses Vorgehen ist nicht hinnehmbar und führt den Bundestag an der Nase herum. Dessen Debatte über die Vorfinanzierung wäre anders verlaufen, wären diese perfiden Pläne, Kreuz und Inschrift zu installieren, damals offengelegen.

Karsten Neumann, Nürnberg

Dreiste Impertinenz

Wie man vorhersehen konnte: Die Rekonstruktion der Feudalarchitektur bringt uns nicht nur den schönen Stadtraum wieder, sondern auch die hässliche Anmaßung des Gottesgnadentums. Dabei darf man noch dankbar sein, dass die zu einem multikulturellen Forum unmöglich passende Inschrift von unten kaum sichtbar sein wird. Diese ungehörige Aufforderung des frommen Monarchen an alle "die im Himmel und auf Erden... sind", ihre "Knie im Namen Jesu zu beugen", kann heute nur als dreiste Impertinenz interpretiert werden. Die Chance, in der Art der nicht weit entfernten Reichstagskuppel einen Hinweis auf die Modernität des Humboldt Forums zu wagen, ist vertan; ebenso die einer Anlehnung an den klassizistischen Schinkel-Entwurf ohne barocke Laterne und Kreuz.

Dr. Dietrich W. Schmidt, Stuttgart

Zeichen der Hoffnung

Als Christ begrüße ich es sehr, dass auf der Nachbildung des Berliner Schlosses ein großes Kreuz prangt. Gewiss, im Namen des Kreuzes wurden und werden in anmaßender Weise viele Schandtaten begangen, die mit der Lehre Christi nicht im Einklang stehen. Nichtsdestotrotz ist das Kreuz das wohl verbreitetste Symbol der Christen und ein Zeichen der Hoffnung, die Jesus uns gibt, weil er nach seiner Hinrichtung am Kreuz von den Toten auferstanden ist und uns das ewige Leben verheißt. Dieses erlangen seinen Worten nach aber nur jene, die an ihn glauben und ihm vertrauen. Allerdings darf niemand dazu gezwungen werden, dieses zu glauben. Die "Mission mit dem Schwert" ist keine Mission, sondern ein Verbrechen. Aber trotzdem ist es gut und wichtig, mit dem Zeichen des Kreuzes an die wichtige Einladung von Jesus Christus zum ewigen Leben zu erinnern.

Joachim Fischer, Bremen

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