Homöopathie:Umstrittene Wirkung der Globuli

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Einige Ärzte beklagen die Hetze gegen Homöopathie und verweisen darauf, dass es durchaus Studien über ihre Wirksamkeit gibt.

Die einen schwören auf Globuli, die anderen verteufeln sie. (Foto: lok)

"Dünne Beweise, verheimlichte Daten" vom 17. März:

Forschung an der Uni München

Zum wiederholten Mal publiziert Werner Bartens seine Ansichten zur Homöopathie mit den immer gleichen und langsam ermüdenden Argumenten. Es kann nicht oft genug wiederholt werden: Homöopathie definiert sich meiner Ansicht nach nicht über hoch potenzierte Globuli. Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, hat seine Patienten jahrelang mit unverdünnten Arzneien homöopathisch behandelt. Lediglich hochgiftige Substanzen wie Quecksilber, Arsen und ähnliches verdünnte er im Verhältnis von 1 zu 100.

Es gibt tatsächlich Forschungsarbeiten zur Homöopathie, die den heutigen Anforderungen nicht entsprechen. Es gibt aber auch durchaus ernst zu nehmende Arbeiten wie zum Beispiel jene an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) über die Wirksamkeit homöopathischer Arzneien im Hinblick auf die Eutergesundheit von Milchkühen. Die Doppelblindstudie ergab signifikant bessere Werte für die Milchkühe, die homöopathisch behandelt wurden, im Vergleich zu jenen, die lediglich ein Placebo erhielten. Wie stark muss doch der Glaube an die Homöopathie bei diesen Milchkühen gewesen sein. Vor nicht allzu langer Zeit fand in München eine Vorlesungsreihe zum Thema Forschungen in der Homöopathie statt. Werner Bartens war dazu meines Wissens eingeladen, nahm daran aber nicht teil.

Prof. Dr. Gert Oomen, Kirchentellinsfurt

Kein Interesse an Gesunden

Coronazeiten. Volle Arztpraxen, gestresstes Pflegepersonal, überarbeitete Klinikärzte, Arzttermine kaum zu bekommen, Fließbandmedizin im Minutentakt, explosionsartige Zunahme der Diabetiker, Dialysepatienten und Krebserkrankungen, 40 Prozent der Jugendlichen sind laut Deutscher Ärztezeitung chronisch krank. Der Autor macht mit inquisitorischem Eifer die Wurzel allen Übels aus: Die Homöopathie treibt das System in den Ruin, mit getürkten Studien und Placebokügelchen. Werner Bartens muss es wissen, verfügt er doch selbst als Arzt über wissenschaftliche Expertise und klinische Erfahrung.

Selbst Facharzt für Innere Medizin und mit 38-jähriger Berufserfahrung im Rücken, bezichtige ich mich hiermit der Ketzerei, denn auch ich greife behutsam auf die Homöopathie zurück, wenn ich mit meinem schulmedizinischen Latein am Ende bin. Oft genug hilft sie evident, wo alles andere versagt. Muss ich nun auf den Scheiterhaufen?

Aber nun die gute Nachricht: Die Umsätze für Blutgerinnungsmittel und Krebsarzneien klettern in astronomische Höhen, börsennotierte Pharmakonzerne versprechen ihren Shareholdern satte Gewinne. An gesunden Menschen hat man kein Interesse. Werner Bartens ist herzlich in meine Praxis eingeladen, staunen wird er, was ich zu erzählen weiß über unser merkantilisiertes Gesundheitsunwesen, in dem die Kranken und die Menschen, die sich um sie ernsthaft kümmern, an letzter Stelle stehen. Diese Hetze gegen die Homöopathie dient doch einzig diesem Zweck, diese altehrwürdige Methode aus dem Markt zu kicken.

Dr. med. Stefan Eidam, Internist, Grafing

Selektive Veröffentlichung

Skandal: 37,3 Prozent der Homöopathie-Studien werden nicht publiziert - "vermutlich, weil sie nicht das erwünschte Ergebnis erbrachten". Publikationsbias nennt man in der Wissenschaft diese Verzerrung durch selektive Veröffentlichung positiver Ergebnisse. Was der Autor nicht aus seiner Quelle zitiert: Von den klinischen Studien der evidenzbasierten Medizin werden in Deutschland wie in den USA ebenfalls 33 bis 34 Prozent nicht veröffentlicht. Bei den Studien, die für die Zulassung von Arzneimitteln von der pharmazeutischen Industrie finanziert werden, steigt diese Quote sogar auf über 50 Prozent. Seit Jahren pflegt die SZ in ihren Artikeln zur Homöopathie eine ganz eigene Variante des Publikationsbias: die Verzerrung durch selektive Veröffentlichung negativer Berichte, Kommentare und Meinungen.

Auch im aktuellen Beitrag nimmt Bartens die zitierte Studie in gewohnter Weise zum Anlass, der Homöopathie ihre Daseinsberechtigung abzusprechen, gut unterfüttert durch die Worte des Gesundheitswissenschaftlers Norbert Schmacke: "Homöopathie ist und bleibt Unfug, jede weitere Studie ist vergeudetes Geld." Ist das nun eine persönliche Meinung oder eine wissenschaftliche Aussage?

Derselbe Norbert Schmacke stellte jedenfalls als Projektleiter einer qualitativen Studie der Uni Bremen im Jahr 2010 noch fest: "Nach dem derzeitigen Stand der Forschung (zur Homöopathie) liegt für die Indikationen Heuschnupfen, Durchfall bei Kindern, Weichteilrheuma, Darmlähmung nach Operation und Atemwegsinfektionen ein Wirksamkeitsnachweis vor." Diese Erkenntnis ist mittlerweile offensichtlich auch dem persönlichen Publikationsbias des Autors von "Der Glaube an die Globuli" zum Opfer gefallen.

Dr. med. Jürgen Hansel, Eurasburg

Der Placeboeffekt

Man weiß ja, dass die Homöopathie sehr oft ausgezeichnet hilft bei Leiden von A bis Z. Daher rührt ihre Beliebtheit, die Ihr Autor keinesfalls leugnet. (Vorsicht: Bei Krebs hilft oft nur Schneiden und Chemie.) Die gute Wirkung schieben die Gegner der Homöopathie grundsätzlich auf den Placeboeffekt. Warum aber kommt bei der Verabreichung von allopathischen (also herkömmlichen, chemischen Mitteln) dieser Placeboeffekt nicht auch zum Tragen? Die Erwartungshaltung beim Patienten dürfte schließlich genauso hoch sein.

Gabriele Rohlfes, Tübingen

© SZ vom 13.04.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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