Leserbriefe: Home-Office:Ringen um die richtige Mischung

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Viele Menschen hoffen, dass Arbeiten von zu Hause auch nach Corona möglich bleibt. Aber es gibt auch Bedenken. Die Grenze zum Privatleben verschwimme, manche Arbeitnehmer seien weniger produktiv, einigen fehlt schlicht der Platz.

Voll beladener Tisch, Kopfhöher auf: Von zu Hause arbeiten ist für viele Menschen zur Regel geworden in der Pandemie. (Foto: dpa)

Leserbriefe zu " Bitte ohne Zwang" vom 13. Januar, " Sonst machen die Kapitalisten, was sie wollen" vom 11. Januar, " Risiko Büro" vom 9./10. Januar sowie zu " Große Freiheit" vom 30. Dezember:

Arbeit und Freizeit mischen sich

Der Kommentar "Bitte ohne Zwang" ist gelungen und zeigt die meisten Aspekte auf. Leider fehlt, dass Arbeitnehmern (wie zum Beispiel mir!) zu Hause schlicht der Platz für Home-Office fehlt! Der Platz und die nötige Infrastruktur (Computer, Telefon, Lan-Leitung) ist beschränkt und wird bereits von anderen Familienmitgliedern genutzt. Hier ist die Politik weltfremd, Platz ist ein Luxus, den sich bei weitem nicht jeder in Ballungsräumen leisten kann, sich Platz zu erkaufen (größere Wohnung) wird von den wenigsten Arbeitgebern unterstützt.

Ein weiterer Grund, warum ich Home-Office und Ähnliches kritisch sehe, ist die Vermischung von Arbeitszeit und Freizeit. Wir sind immer häufiger und länger für Arbeitsprozesse verfügbar, Freizeit, Familienzeit, Arbeitszeit vermischen sich, nicht ohne Folgen. Frei gestaltbare Zeit wird weniger ("Ich muss mich heute fürs Training entschuldigen, ich erwarte noch einen Anruf aus der brasilianischen Filiale").

Diese Nachteile sind kritisch zu bewerten und wir brauchen dafür einen gesellschaftlich normierten Umgang, à la "kein Handy beim Essen!". Auch die Arbeit leidet darunter, der "Flurfunk", der eventuell kreative Prozesse iniziiert hat in der Firma, findet kaum noch statt. Arbeit wird durch Familiäres gestört und unterbrochen ("Papa hilf mir mal bei Mathe", "Mama, wo ist mein neuer Pullover?", etc.).

Home-Office verbindet nicht nur die einzelnen Lebensbereiche, es stört sie auch. Eine Balance zu finden, ist keine leichte Aufgabe. Ich finde, man muss auch die Nachteile und Grenzen sehen, um aus der Option des Arbeitens im Home-Office das Beste machen zu können.

Jörg Faber, Neubiberg

Technische Herausforderung

Man fordert im Lande mehr Home-Office, tut aber das Falsche. Home-Office bedingt fast durchgehend eine nahezu vollständige Konnektivität der IT-Firmensysteme über das Web, betrifft das nun Office-Anwendungen, branchenspezifische operative Systeme oder aber via Mail-Exchange-Server den Email-Account der Mitarbeiter im Unternehmen. Die Konnektivität ist heute zumeist realisiert über eine VPN-Lösung, sei das via einem VPN-Router und einer ISA-Firewall, welche das Firmennetzwerk abschirmt und schützt, oder aber realisiert über einen Citrix-Server und entsprechende Clients, die sich am Server anmelden und darauf zugreifen können.

Das Technische ist überaus aufwendig und anspruchsvoll und keinesfalls einfach umzusetzen auf professioneller Ebene. Aber anstatt die Unternehmen jetzt bei der Digitalisierung und der Schaffung einer Infrastruktur zu unterstützen, die Home-Office-Lösungen möglich machen (beispielsweise durch gezielte Unterstützung von Experten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik), werden diejenigen Firmen von Politik und Presse gerügt, die gar keine Home-Office-Lösungen offerieren (können oder wollen).

Zudem gibt es keinerlei Berücksichtigung der absehbaren Tatsache, dass die Arbeitsleistungen im Home-Office ganz offenbar nicht mit denen im Betrieb konform gehen, sei es nun, weil sich Mitarbeiter im eigenen häuslichen Umfeld die eine oder andere Freiheit nehmen oder sei es, weil die Infrastruktur und die Gerätschaften, die in der Firma gegeben sind, zu Hause meist fehlen.

So steht kein Farb-Hochgeschwindigkeitsdrucker mit allen Raffinessen und kein professioneller Scanner zur Verfügung, um etwas kurz einzulesen, ist das Netzwerk eben oft ein privat-häusliches Wlan, schleppend langsam und von Verbindungsunterbrechungen gebeutelt. Wenig verwunderlich, dass sich Unternehmen da dem Home-Office gegenüber eher zurückhalten.

Ernst Sulser, Bietigheim

Sorge um Jobverlagerung

Nicht berücksichtigt werden in der Diskussion leider Mitarbeiter, die ins Büro wollen, denn nicht jeder hat zu Hause einen ergonomischen Arbeitsplatz und mehrere Bildschirme, die ja mittlerweile Standard sind. Da Sport weitgehend unterbunden wurde (außer Joggen) und Massagen nur auf Rezept möglich sind, ist es für viele kaum möglich, ohne gesundheitliche Schäden durch die Zeit mit Home-Office zu kommen. Licht und Augen sind auch ein sehr wichtiges Thema in dem Zusammenhang. Und: Wohnraum ist in München knapp, wo soll in einer Zwei-Zimmer Wohnung dann noch der Arbeitsplatz untergebracht werden? Und wie sollen sich Eltern daheim konzentrieren, wenn daheim auch noch Kinder betreut werden müssen?

Wie ist es um die Datensicherheit bestellt? Die Innovation leidet und auch die Identifikation mit dem Unternehmen: das ist jetzt nach einem Jahr, das viele überwiegend daheim verbracht haben, bereits zu beobachten.

Diese wichtigen Fragen werden in "Risiko Büro" nicht erläutert, es entsteht vielmehr der Eindruck, dass die Arbeitgeber einfach grundlos Home-Office verbieten - und alle Arbeitnehmer Home-Office super finden. Zitat der Wissenschaftlerin Kohlrausch in dem Artikel: "Deshalb vermute ich, dass es eher die Arbeitgeber sind, die sich in Sachen Home-Office zurückhalten". Möglicherweise ist dieser Rückschluss falsch. Und noch gar nicht gelesen habe ich darüber, dass Arbeitgeber langfristig Arbeitsplätze ins Ausland verlegen werden, nach all den tollen Erfahrungen der digitalen Welt. Wenn der Chef seinen Mitarbeiter nur noch über Videokonferenz sieht, dann ist es egal, ob der Mitarbeiter in München wohnt - oder irgendwo anders auf der Welt.

Gisela Kranz, Oberschleißheim

Abgehobene Parolen

Dass der Gewerkschaftschef Reiner Hoffmann darüber "in Rage" gerät, dass es noch keine gesetzlichen Regelungen für Home-Office gibt, zeigt, wie weit er vom Arbeitsalltag der meisten Menschen entfernt ist. Dass wir als kleines Ingenieurbüro beispielsweise seit März 2020 allen Mitarbeitern einen Homeoffice-Arbeitsplatz eingerichtet haben, bedurfte keiner Gesetzesvorgabe. Da haben wir als "Kapitalisten" genau das gemacht, was geboten war, und weil alle es einvernehmlich so gewollt wurde. Genauso haben es viele andere Firmen zum Schutz ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zum gegenseitigen Nutzen geregelt.

Vom großen DGB-Schreibtisch in Frankfurt aus sendet Herr Hoffmann klassenkämpferische Parolen aus ("Sonst machen die Kapitalisten, was sie wollen."), hat aber meines Erachtens keine Ahnung davon, wie es in den kleinen und mittleren Betrieben in der Corona-Krise zugeht.

Reiner Leuchter, Duisburg

© SZ vom 26.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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